Die Hexengraefin
hielt.
»Gelobt sei JESUS CHRISTUS«, sprach Leopold, gebürtiger Erzherzog von Österreich, die unter Katholiken übliche Begrüßungsformel. Adelheid, Wilhelm und Ursula antworteten gehorsam: »In Ewigkeit, Amen.«
Die drei standen wieder auf, und Adelheid trat auf ihren Oheim, einen etwa Mitte Vierzigjährigen, sehr gepflegten, sorgsam gekleideten Herrn, der eine gepuderte Perücke trug, zu, um ihn zu umarmen.
Sie bemerkte sogleich, dass sie ihn mit dieser Geste überrascht hatte, aber sie ignorierte seine Reaktion, denn sie wollte ihn überrumpeln mit übersprudelnder Herzlichkeit und gleichzeitig die hilfsbedürftige Nichte spielen.
Ohne sich um seine abweisende Miene zu kümmern, begann sie sofort: »Lieber und sehr verehrter Oheim, lasst Euch umarmen von Eurer armen, kleinen Verwandten, die sich in ihrer Not nicht mehr anders zu helfen wusste, als an Euer großmütiges Herz zu appellieren. Großes Unrecht ist meiner lieben Schwester Helene« – sie deutete auf die reglos Dasitzende und auf die Wand Starrende – »in unserer Heimat geschehen, sodass wir fliehen mussten, wollten wir nicht riskieren, dass abgrundtief böse Menschen sie vollkommen vernichteten.«
Der Bischof war jetzt sichtlich irritiert und entgegnete: »Ihr sprecht von Eurer ›Schwester‹, Mademoiselle? Ich wusste gar nicht, dass eine solche überhaupt existiert. Vetter Ferfried hat mir nie von einer zweiten Tochter gesprochen.«
»Verzeiht, geliebter Oheim. Ihr habt natürlich recht, Monseigneur, Helene Hagenbusch ist keine leibliche Schwester, aber ich liebe sie so, als wäre sie es. Seit Kindertagen waren wir täglich zusammen, haben miteinander gespielt, gelernt, haben gemeinsam Unsinn getrieben, aber auch gebetet und die heiligen Sakramente empfangen. Sie ist sozusagen mein zweites Ich.«
Kritisch musterte der Kirchenmann nun die regungslos wie eine Puppe auf dem Diwan Sitzende. Der Kaplan von Werhahn hatte inzwischen leise den Salon betreten.
»Was ist mit der jungen Dame?«, fragte er schließlich, und es klang, als frage er nur aus Höflichkeit, nicht aus wirklichem Interesse. Nebenbei nickte er dem jungen Herrn von Kirchhofen lässig zu, während er die Zofe übersah.
»Man hat sie grundlos in den Kerker gesteckt unter einer vollkommen absurden und böswilligen Beschuldigung. Es wurden fünf Zeugen gekauft, die die haarsträubendsten Dinge vorbrachten, die sie angeblich getan haben sollte. Demoiselle Hélène hat sich natürlich gewehrt und geleugnet, mit solchen gemeinen Verbrechen jemals zu tun gehabt zu haben, aber es hat ihr nichts genützt. Und das – stellt Euch das Ungeheuerliche nur vor, mon Oncle -, obwohl ich selbst für sie gebürgt habe. Es war empörend, was sich die Herren dieses Gerichtes geleistet haben.«
»Was hat man ihr denn vorgeworfen?«, erkundigte sich der Bischof und tat so, als wisse er es nicht.
Die junge Gräfin, die sich heute Morgen ganz besonders zurechtgemacht hatte, um den hohen Geistlichen zu beeindrucken – möglicherweise war er gegen weibliche Reize doch nicht so immun, wie manche zu wissen glaubten -, richtete sich kerzengerade auf und sah ihrem Gegenüber, der ihr noch keinen Platz angeboten hatte, direkt in die etwas hervorstehenden, großen, blauen Augen.
Adelheid war sich zwar bewusst, dass ihre Aufmachung durch die Überfahrt auf dem Rhein und den schnellen Ritt nach Straßburg gelitten hatte, aber sie hoffte, immer noch genügend imponierend auftreten zu können.
Und sie hatte sich vorgenommen, den Begriff »Hexe« auf keinen Fall in den Mund zu nehmen …
»Eigentlich wäre es zum Lachen gewesen, wenn es nicht solche schlimmen Folgen gehabt hätte, Monseigneur. Denkt Euch, Oheim, man entblödete sich nicht, diesem jungen Mädchen, das fromm und brav ist wie nur irgendeines – was im Übrigen auch der Beichtvater meines Vaters sowie der Gemeindepriester bezeugen können -, vorzuwerfen, es hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen«, endete sie und versäumte es nicht, das Gesicht angeekelt zu verziehen und das Kreuz zu schlagen.
Ursula und Wilhelm befleißigten sich sofort derselben Geste.
»Oh!«, entfuhr es dem Bischof erschrocken, und er wandte sich wie Hilfe suchend an seinen Sekretär. »Was ratet Ihr mir in einem solchen Fall, mein lieber Werhahn?«
»Monseigneur, das ist in der Tat eine sehr heikle Geschichte. Mit derlei Personen hatten wir noch nie Kontakt. Woher soll ich wissen, was man da tun kann? Es könnte sehr gefährlich sein.«
»Aber Demoiselle
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