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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Hagenbusch hat niemals etwas Derartiges getan. Das schwöre ich Euch beim Licht meiner Augen und bei der Seligkeit meiner verstorbenen Mutter Sybilla, Eurer Cousine, verehrter Oheim. Die Zeugen gegen sie waren alle bestochen.«
    Adelheid hatte mit so viel Leidenschaft gesprochen, dass der skeptische und im Laufe seines Lebens ein wenig zynisch gewordene Kirchenmann aufhorchte. Seine dicke, ein wenig hängende Unterlippe – das Familienmerkmal aller Habsburger – zitterte leicht. Er widmete seine volle Aufmerksamkeit jetzt der starr dasitzenden Helene, und das Unbehagen war Herrn Leopold deutlich anzumerken. Nach einer Weile schlug er über ihrem Haupt das Kreuz und murmelte: »Die Allerheiligste Dreifaltigkeit sei mit dir, mein Kind.«
    Aber Helene reagierte nicht. Sie starrte weiter geradeaus. Jetzt nicht mehr auf die gegenüberliegende Wand, sondern auf das schwere, goldene, mit Brillanten verzierte Brustkreuz des Geistlichen, das sich strahlend von der violetten Robe abhob.

KAPITEL 42
    »DIE JUNGE FRAU SCHEINT seelisch schwer gestört zu sein«, meinte nach einigen Augenblicken der Bischof und schaute Adelheid von Ruhfeld fragend an.
    »Ihr hättet meine liebe Freundin vor ihrem Aufenthalt im Kerker sehen sollen, Eminenz. Sie war ein lebhaftes, intelligentes und liebenswertes Geschöpf. Aber mit der nötigen Pflege und mit GOTTES Hilfe wird sie allmählich wieder zu der werden, die sie einmal war, Monseigneur.«
    Der Bischof hüstelte. »Setzt Euch, meine Liebe, und erzählt mir, wie es dazu kam.«
    Das ließ sich die junge Gräfin nicht zweimal sagen. Ohne Umschweife berichtete sie dem Herrn im dunkelvioletten Seidengewand von den schrecklichen Ereignissen, welche sich in der Ortenau, also in kaiserlichem Einflussbereich, zugetragen hatten.
    Leopold wiegte sein schweres Haupt mit der weißen Perücke und setzte an: »Mir, dem Bruder des Kaisers und zugleich Bischof von Straßburg, obliegt zwar die hohe Gerichtsbarkeit, aber Malefizprozesse werden vor einem weltlichen Gericht verhandelt. Und sämtliche Gerichtspersonen haben mir einen Eid geschworen, jede dieser immens sensiblen Verhandlungen mit äußerster Sorgfalt zu führen. Sollte der Oberste Richter in diesem Fall sich die Zeugen nicht genau angesehen haben, ehe er sie zuließ? Dieser Herr – ich glaube, Munzinger ist sein Name – ist mir bisher nur als zuverlässiger und gerechter Richter erschienen. Aber nun erhebt Ihr gegen ihn solche schweren Vorwürfe, dass man ihn eigentlich selbst ins Gefängnis werfen müsste.«
    Seine Stimme war leise und klang sehr kultiviert, trotzdem hatte Adelheid ein gewisses Maß an Skepsis und Unwillen herausgehört.
    Doch ehe sie weiter für Helene sprechen konnte, hatte sich der geistliche Herr bereits erhoben und sagte: »Ich denke, Ihr seid müde von der Reise und wollt Euch ein wenig erholen, ehe wir erneut zusammenkommen, um das Weitere zu besprechen. Man wird Euch und Eurer Begleitung Räume im Palast zuweisen, wo Ihr Euch ausruhen und eine Mahlzeit zu Euch nehmen könnt. Mich wollt Ihr bitte entschuldigen – meine geistlichen Pflichten machen es erforderlich, dass ich mich jetzt entferne. Heute Abend zum Diner werden wir uns wieder sehen. Der HERR sei mit Euch.«
    Rasch, beinahe nachlässig, segnete der Bischof alle Anwesenden und eilte mit seinem hübschen Kaplan im Gefolge aus dem Raum.
    Adelheid und ihre Begleitung wurden daraufhin in den zweiten Stock geleitet, wo man ihr und ihrer Zofe Ursula ein großes, sehr hübsch eingerichtetes Zimmer mit einem Alkoven anwies, in dem Helene schlafen konnte.
    Wilhelm von Kirchhofen, der männliche Beschützer der kleinen Flüchtlingsgruppe, durfte sich in einer kleinen Kammer daneben einquartieren.
    »Normalerweise werden die Ritter in einem eigenen Flügel des Palais untergebracht, Madame la Comtesse, immer zwei Herren gemeinsam in einem Gemach«, erzählte eine junge Dienstmagd, die Adelheid behilflich war, ihr Gepäck auszupacken und in den Laden der hohen Schränke und in einigen Truhen zu verstauen.
    »Aber Monseigneur macht diesmal eine Ausnahme, damit Ihr Euch nicht gar so verlassen vorkommt. Ihr sollt nicht das Gefühl haben, in eine feindliche Umwelt geraten zu sein, sondern Euer eigener Edelknecht soll Euch weiterhin zu Diensten sein, so Ihr seiner bedürft, Madame.«
    Das junge Ding schien etwas schwatzhaft zu sein, und Adelheid beschloss, sich diesen Umstand bei passender Gelegenheit zunutze zu machen. Sofort erkundigte sie sich nach dem Namen des

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