Die Hexengraefin
ersten dieser Art waren bereits 1628 aufgetaucht – Stimmung gegen den Friedländer, Albrecht von Wallenstein, machten. Schlau und verschlagen sei dieser, herrschsüchtig und anmaßend und dazu noch wohlhabender als der Kaiser. »Auch er will mit ›Durchlaucht‹ angesprochen werden, und es ist offensichtlich, dass selbiger Herr aus Böhmen eine große Abneigung gegen den König von Ungarn – immerhin den Sohn unseres Kaisers – hegt«, hatte der Freiherr von Garsbach geschrieben. »Darüber hinaus ist der Wallenstein sehr jähzornig, launisch und sogar gewalttätig. Dreist widersetzt er sich kaiserlichen Anordnungen und versucht, die Minister bei Hof mit Geldgeschenken zu bestechen, damit sie nach seinem Willen handeln.«
Lauter Dinge, die man von den meisten anderen Landesfürsten ebenfalls behaupten könnte, dachte Ferfried beim Lesen dieser Zeilen.
Denn der badische Graf besaß ein sehr feines Gespür für Zwischentöne und die Empörung seines Bekannten kam ihm ein wenig arg gekünstelt vor. Er ärgerte sich über den Freiherrn, bis ihm einfiel, dass der womöglich aus purer Angst vor einer kurfürstlichen Zensur sein Schreiben so abgefasst hatte.
Ferfried war bekannt, dass Kurfürst Maximilian nicht davor zurückschreckte, die Briefe seiner Untertanen öffnen und zensieren zu lassen. Wehe, die Beamten fanden etwas Negatives über Regierung und Person des kurfürstlichen Herrn. Aus Furcht vor Enteignung, Inhaftierung und Folter wagte keiner der bayerischen Untertanen mehr, seine wahre Meinung zu äußern – auch nicht in persönlichen Briefen.
»Das eigentliche Ziel des Herzogs von Friedland aber ist es, die katholische Liga zu zerschlagen und selbst nach der Kaiserkrone zu greifen«, hatte von Garsbach geschrieben.
Damit war es für Ferfried ausgemacht, dass hinter dieser Schmutzkampagne nur einer stecken konnte, nämlich der intrigante Kapuzinerpater Valeriano Magni, der den böhmischen Feldherrn aus früherer Zeit gut kannte.
»Mein Herr, der hochedle und allerdurchlauchtigste Kurfürst Maximilian von Bayern, ist über den schlechten Charakter des Wallenstein sehr betrübt«, hatte Garsbach noch artig hinzugefügt.
Nachdem der alte Graf den Brief seinem Sohn vorgelesen hatte, überlegte Hasso eine Weile.
»Vater, ich verstehe nicht, was das soll. Noch vor Kurzem in Regensburg hat Maximilian nicht auf diese Weise gegen den Friedländer gesprochen. Dass er ihn nicht leiden kann, steht auf einem anderen Blatt, aber diese Art üble Nachrede scheint mir doch sehr übertrieben. Außerdem weiß der Bayer doch, dass dem Kaiser gar nichts anderes übrig bleibt, als Wallenstein zurückzurufen.«
»Genau das ist es, mein Sohn«, sagte Ferfried und schlug mit der Faust auf den Esstisch, dass die Teller hochsprangen. Seit seine Tochter Adelheid nicht mehr da war, tat sich der Graf keinen Zwang mehr an.
Die Sitten in Schloss Ruhfeld waren ohne Zweifel rauer geworden. Auch Flüche konnte man jetzt öfter hören. Die feinen Manieren insgesamt waren rascher in Vergessenheit geraten, als man hätte annehmen können; ein Zeichen, dass edle Gesittung sich schnell verflüchtigte und herkömmlicher Barbarei die Zügel schießen ließ, sofern ihr nicht edler Frauensinn Einhalt gebot.
»Einesteils weiß der Bayer, dass der Kaiser einen Ersatz für Tilly braucht. Der ist zu alt und hat jetzt erst am 17. September bei Gustav Adolfs Sieg bei Breitenfeld bewiesen, dass er längst seinen Zenit überschritten hat. Zweitens gibt es im gesamten Deutschen Reich keinen Besseren als den Wallenstein.
Zähneknirschend hat Herr Maximilian das zur Kenntnis genommen; er kann im Grunde bloß hoffen, dass der Friedländer sich wieder breitschlagen lässt und den Posten eines hauptverantwortlichen Generals annimmt. Aber er möchte dessen Hochmut dämpfen, damit dieser nicht mit allzu vielen Vorschusslorbeeren antritt.
Das Leben will er ihm schwer machen, um ihm zu zeigen, dass er keineswegs machen kann, was er will. Maximilian ist jedes Mittel recht, um die moralischen Qualitäten Wallensteins infrage zu stellen, wenn er schon an seinen militärischen nichts zu kritisieren findet.«
Wieder einmal war Hasso von Ruhfeld froh, dass er nicht in die Dienste des bayerischen Kurfürsten getreten war. Der Sohn des Grafen war jung und noch voll Idealismus, und ihm graute vor der hinterhältigen, brutalen und scheinheiligen Art dieses bigotten Machtmenschen.
KAPITEL 45
DER HERBST IST DIE ZEIT DER JAGD, und auch Graf Ferfried ging dem edlen
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