Die Hexenjagd von Salem Falls
war.«
»Ja, und ich glaube nicht, daß Molly jemals so groß wird.«
Matt nahm seine Tochter auf den Arm und trug sie ins Wohnzimmer hinüber, Charlie folgte ihm.
»Sie werden sich noch wundern«, sagte Charlie. »An einem Abend singt man ihr noch ein Schlaflied vor, und am nächsten Morgen wacht sie auf und hört sich Limp Bizkit an.«
»Was um Himmels willen ist denn Limp Bizkit?«
»Das erfahren Sie noch früh genug.« Charlie setzte sich auf die Couch, während Matt dem Baby eine bunte Rassel gab. Dann ließ er sich in einem Sessel gegenüber von Charlie nieder und griff über den Tisch, um einen Stapel protokollierter Aussagen zu nehmen.
Charlie kam augenblicklich zur Sache. »Der Fall scheint klar zu sein, nicht?«
Matt zuckte die Achseln.
»Das Opfer kann den Täter identifizieren, der Täter ist einschlägig vorbestraft, und die Chancen, daß die Beweismittel auf ihn hinweisen, stehen ausgezeichnet. Und jetzt haben Sie obendrein noch die Aussagen von drei Augenzeuginnen, die alles erhärten.«
»Erhärten«, wiederholte Matt. »Interessante Wortwahl.« Er nahm die Abschrift eines Tonbandprotokolls in die Hand und schlug eine Seite auf, auf der eine Dialogstelle mit Textmarker hervorgehoben war. »Haben Sie das hier gesehen?« sagte er und reichte ihm die Abschrift.
Charlie überflog die Passage. »Klar. Nachdem Gillian gegangen war, bekam Whitney O’Neill Gewissensbisse und hat nach ihrer Freundin gerufen, die aber nicht antworten konnte, weil sie gerade angegriffen wurde.«
Matt reichte ihm die Abschrift eines zweiten Protokolls, die Aussage von Chelsea. »Das Mädchen hier sagt, sie habe Gillian angeboten, sie nach Hause zu bringen, bevor sie losgegangen ist. Was Whitney O’Neill in ihrer Aussage mit keinem Wort erwähnt.«
Charlie schnaubte. »Aber das ist doch nun wirklich nicht entscheidend. Ist doch klar, daß sie sich nicht an jede Sekunde in der Nacht erinnern können. Herrje, alle drei machen übereinstimmende Angaben darüber, wann der Typ aufgetaucht ist, was er zu ihnen gesagt hat, wie er ausgesehen hat. Alle drei sagen, sie hätten nichts gehört, nachdem sie sich von Gillian getrennt hatten. Genau das interessiert die Geschworenen.«
»Ihre eigene Tochter«, fuhr Matt fort, »sagt aus, Gillian habe darauf bestanden, allein nach Hause zu gehen, als eine Art Mutprobe. Ich muß schon sagen … wenn ich in jener Nacht dabeigewesen wäre, das wäre mir im Gedächtnis geblieben.« Er warf die drei Abschriften auf den Tisch. »Also, welche Geschichte ist denn nun die richtige?«
Charlie warf einen Blick auf das glucksende Baby auf dem Boden. »Wir sprechen uns wieder, wenn sie sechzehn ist. Reden Sie mal mit einem Mädchen, das einen Heidenschiß hat, weil ihre Freundin mitten in der Nacht im Wald vergewaltigt wird, dann werden Sie sehen, an wie viele Einzelheiten sie sich noch erinnern kann. Herrje, Matt, das sind noch halbe Kinder. Sie sind um Haaresbreite einer Katastrophe entkommen, aber sie sind noch immer völlig aufgelöst. Und selbst wenn sie sich an diesen einen Punkt nicht mehr genau erinnern können, was soll’s, sie wurden schließlich nicht vergewaltigt. Ihre Aussagen sind nicht von derselben Bedeutung wie die von Gillian – sie sollen nur bestätigen, was sie gesagt hat.«
Als Matt nichts erwiderte, fuhr Charlie aus der Haut. »Soll das etwa heißen, ich hab die Mädchen für nichts und wieder nichts das Ganze noch mal durchleben lassen? Die sind nervlich am Ende. Und das wird für die Geschworenen mehr ins Gewicht fallen als eine beschissene kleine Ungereimtheit, die nicht mal von Bedeutung ist.«
»Nicht von Bedeutung?« sagte Matt mit lauterer Stimme. »Alles ist von Bedeutung, Charlie. Jede verdammte Kleinigkeit. Ihre Arbeit wirkt sich gewaltig auf meine Arbeit aus. St. Bride ist kein kleiner Ladendieb. Er ist ein Raubtier, und ich bin der einzige, der eine Flinte hat, um ihn zu erlegen. Wenn wir ihn nicht lückenlos als Täter überführen können, marschiert der Scheißkerl vielleicht wieder als freier Mann aus dem Gerichtssaal und sucht sich ein neues Opfer.«
»He, hören Sie, es ist nicht meine Schuld –«
»Wessen dann? Wessen Schuld ist es, wenn Gillian Duncan von Alpträumen aus dem Schlaf gerissen wird und bis an ihr Lebensende kein Vertrauen mehr zu Männern hat und auch zu keiner unbelasteten sexuellen Beziehung mehr fähig ist? Selbst wenn St. Bride für alle Zeit in den Knast wandert, wird das Opfer seines Lebens nicht mehr froh. Und wir auch
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