Die Hexenjagd von Salem Falls
Whitney mit bebender Unterlippe. »Und Sie ahnen ja nicht, wie sehr ich mir wünsche, wir hätten es getan.«
Als Meg klein war, verkroch sie sich immer unter das Sofa, wenn ihr Vater seine Uniform anzog. Sie hatte zwar keine Angst vor Polizisten, aber wenn ihr Dad die glänzenden Schuhe und die Schirmmütze und das funkelnde Dienstabzeichen trug, war er nicht mehr derselbe Mann, der sonntags Pfannkuchen für sie machte und sie abends an den Füßen kitzelte, damit sie sie unter die Bettdecke zog. In Uniform wirkte er härter, als würde er in der Mitte durchbrechen, wenn er sich zu tief bückte.
Jetzt war es ihr unheimlich, auf ihrem Bett zu sitzen, umgeben von all ihren Stofftieren, während ihr Vater sie bei laufendem Tonbandgerät befragte. Noch unheimlicher war, daß er genauso unglücklich wirkte, wie sie es war.
Megs Herz pochte wie wild, so schnell, daß sie sicher war, es würde ihr jeden Augenblick aus der Brust springen. Sie fühlte sich wie von Nebelschwaden umwabert. Nicht zum erstenmal wünschte sie sich, sie hätte ihre Aussage in Anwesenheit von Chelsea und Whitney machen können. Du schaffst das , beschwor sie sich.
Sie schloß die Augen und dachte daran, wie sie heimlich noch einmal in den Wald gelaufen war und alles entfernt hatte, was sie an die Äste gehängt hatten. Das hatte sie getan, und niemand hatte was gemerkt.
»Schätzchen?« sagte ihr Vater. »Ist alles in Ordnung?«
Meg nickte. »Hab bloß gerade an Gillian gedacht.«
Er beugte sich vor, strich ihr die Haare aus dem Gesicht hinters Ohr. »Du machst das ganz toll. Wir sind auch gleich fertig.«
»Gut, weil es nämlich ganz schön schwer ist, darüber zu reden«, gab Meg zu.
Ihr Vater stellte das Bandgerät wieder an. »Hast du irgendwas gehört, als ihr gegangen seid?«
»Nein.«
»Keine Schreie von Gillian? Kampfgeräusche? Raschelndes Gestrüpp?«
»Nichts.«
Charlie blickte auf. »Wieso habt ihr sie allein gehen lassen?«
»Ich … ich weiß nicht mehr genau …«
»Denk nach.«
»Gilly wollte es so«, sagte Meg schwach. »Wenn sie sich einmal was in den Kopf gesetzt hat, dann macht sie das auch. Sie hatte ja mit ihm geredet, vielleicht hat sie gedacht, mit allem fertigzuwerden.«
»Hat eine von euch versucht, sie umzustimmen?«
Meg nickte rasch. »Chelsea … oder vielleicht auch Whitney. Ich weiß es nicht mehr. Eine von beiden hat ihr jedenfalls gesagt, sie soll nicht allein gehen.«
»Und?«
»Und sie hat … einfach nicht drauf gehört. Sie hat gesagt, sie will durch die Höhle des Löwen spazieren, damit sie anschließend damit angeben kann. Das ist typisch für sie.«
Er starrte sie an, durch und durch Polizist, so daß ihm unmöglich anzusehen war, was er dachte. »Daddy«, flüsterte Meg. »Kann ich was sagen … was nicht ins Protokoll kommt?«
Er nickte und schaltete das Tonband aus.
»Daß ich mich … in der Nacht aus dem Haus geschlichen hab…« Meg senkte den Blick. »Das war nicht richtig.«
»Meg, ich –«
»Ich weiß, du hast nichts gesagt, als ich das fürs Protokoll erzählt habe«, fuhr sie hastig fort. »Und ich weiß, du bist jetzt als Polizist hier, nicht als mein Dad. Aber ich wollte dir bloß sagen, ich hätte zu Hause bleiben müssen, wie du es gewollt hast. Das war nicht richtig von mir.«
»Kann ich auch was sagen? Was nicht fürs Protokoll ist?« Ihr Vater wandte den Blick ab, blinzelte, als würde er weinen, aber Meg mußte sich täuschen, denn sie hatte ihn noch nie eine Träne vergießen sehen. »Als ich Gillians Aussage aufgenommen habe, da habe ich die ganze Zeit deine Stimme gehört. Und auch als ich die Beweismittel ins Labor gefahren habe, habe ich mir vorgestellt, sie wären von dir. Ich finde es schrecklich, was deiner Freundin passiert ist, Meg … aber ich bin so verdammt dankbar, daß es nicht dir passiert ist.«
Er beugte sich hinunter und nahm sie in den Arm. Meg vergrub das Gesicht an seinem Hals, weil sie Trost suchte, aber auch, um sich davon abzuhalten, etwas zu gestehen, das er nie erfahren durfte.
Molly strampelte mit ihren rosa Beinchen, als Matt die Vorderseite der Windel hochklappte und das Klebeband an den Seiten festmachte. »Sobald sie auf dem Wickeltisch liegt«, sagte er, »ist sie kaum zu bändigen.«
Charlie griff in die Tasche und holte seine Polizeimarke hervor. Er ließ sie über den gierigen Babyhänden baumeln und lenkte die Kleine so lange ab, bis Matt ihr den Strampler angezogen hatte. »Ich glaube nicht, daß Meg mal so winzig
Weitere Kostenlose Bücher