Die Hexenjagd von Salem Falls
selten allein«, hatte ihr Vater gesagt.
Aber ihre Eltern hatten keine Ahnung vom Gesetz der Drei; sie wußten nicht, daß der Schlag eines Schmetterlingsflügels genügte, um einen gewaltigen Sturm auszulösen. Alles, was man tat, wurde dreifach vergolten – das Gute … und das Böse. Chelsea war sich nicht sicher, wieviel sie von dem Kram glaubte, aber eines wußte sie: Sie hatte in einem Gerichtssaal einen Eid geschworen und war im Zeugenstand gewesen, und das hatte sie nun davon. Ihre Katze, ihr Bruder – höheren Gesetzen zufolge stand ihr noch ein Unglück bevor, als Strafe für das, was sie getan hatte.
Beim Abendessen starrte sie ihre Eltern eindringlich an. Ihrer Mutter stand am nächsten Tag eine Mammographie bevor. Würde bei ihr Krebs diagnostiziert werden? Ihr Vater wollte nach dem Essen noch einmal zur Arbeit fahren … würde er einen Autounfall haben? Würde sie einfach so im Schlaf aufhören zu atmen? Würde sie aufschrecken und den Teufel an ihrem Bett sitzen sehen?
»Chelsea«, sagte ihre Mutter, »du hast ja noch keinen Bissen angerührt.«
Sie hielt es nicht aus, nicht zu wissen, welche Tragödie kommen würde. Sie stand vom Tisch auf, lief nach oben in ihr Zimmer, schloß die Tür hinter sich ab und wühlte ihre Schubladen durch, bis sie fand, was sie so sorgsam versteckt hatte.
Konnte man seine Missetaten mit guten Absichten tilgen, wie ein Abakus, der rückwärts funktioniert? Chelsea wußte es nicht. Doch sie band das kleine Bündel ganz fest zu, mit drei Knoten. Sie steckte es in einen wattierten Umschlag und schrieb eine neue Adresse auf die Vorderseite, klebte Briefmarken auf und lief, verfolgt von den besorgten Fragen ihrer Eltern, aus dem Haus.
Sie lief bis zur nächsten Straßenecke, wo ein Briefkasten stand. Die nächste Leerung, so las sie, war um 22 Uhr. Mit zitternden Händen warf Chelsea das Päckchen ein. Sie dachte nicht an Gillian. Sie dachte an nichts, das sie im letzten Moment von ihrem Entschluß abbringen könnte. Statt dessen konzentrierte sie sich auf den rutschigen Abhang der Hoffnung, der ihr verhieß, daß sich ihr Leben am nächsten Mittag wenden könnte.
»Sie haben die ausgekämmten Schamhaare analysiert, die Ihnen mit den übrigen Proben übergeben wurden, nicht wahr, Miss Martine?« sagte Jordan und stand von seinem Stuhl auf.
»Ja.«
»Was haben Sie festgestellt?«
»Es fanden sich keine Haare darunter, deren DNA nicht mit der des Opfers übereinstimmte.«
Jordan runzelte die Stirn. »Ist es nicht äußerst schwierig, eine Vergewaltigung zu begehen, ohne ein einziges Schamhaar zu verlieren?«
»Das ist nicht selten. Wir testen normalerweise keine Schamhaare, wenn wir DNA haben, da Haare auf ganz harmlose Weise übertragen werden können. Wenn Sie zum Beispiel in der letzten Sitzungspause auf der Toilette waren, sind Sie wahrscheinlich mit fremden Schamhaaren an den Schuhen wieder herausgekommen, trotzdem gehe ich davon aus, daß Sie keine Vergewaltigung begangen haben.«
Sie sah gut aus, dachte Jordan, sogar wenn sie ihm eins auswischte. Er ging nicht weiter darauf ein und sagte: »Sie haben ausgesagt, daß das Blut, das an der Bluse des Opfers gefunden wurde, mit dem des Angeklagten übereinstimmt, ist das richtig?«
»Nein. Ich habe ausgesagt, daß die von mir analysierten Genorte übereinstimmen.«
»Wie auch immer.« Jordan tat die Unterscheidung als unbedeutend ab. »Können Sie sagen, ob das Blut, das Sie getestet haben, von einem Kratzer an der Wange des Angeklagten stammt … oder von einer Wunde über seinem Auge?«
»Nein.«
»Ist es möglich, anhand des Blutes auf der Bluse festzustellen, ob der Angeklagte von einem Menschen gekratzt wurde oder ob er sich den Kratzer an einem Ast zugezogen hat?«
»Nein«, erwiderte Frankie und zuckte die Achseln. »Allerdings wurde unter den Fingernägeln des Opfers eine DNA -Mischung gefunden, die zum Teil vom Angeklagten stammen könnte.«
»Trug das Opfer Nagellack?«
Der Hauch eines Lächelns umspielte ihre Lippen. »In der Tat. Kirschrot. Die Nägel waren überdies recht lang, weshalb die darunter entnommene Probe Hautzellen ergiebig war.«
»Muß man jemanden kratzen, um Haut unter die Fingernägel zu bekommen?«
»Nicht unbedingt.«
»Man kann auch Haut unter die Fingernägel bekommen, wenn man jemandem die Kopfhaut massiert, richtig?«
»Vermutlich.«
»Oder wenn man jemandem liebevoll mit den Fingerspitzen über den Arm streicht?«
Die forensische Wissenschaftlerin zog ein Gesicht,
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