Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
angezogen.
    Gilly blickte den anderen nacheinander in die Augen. Spürten sie es? Noch nie hatte ihr Körper innerlich so vibriert. Sie legte den Kopf in den Nacken, schleuderte die Worte in den Nachthimmel. »Wächter auf den Wachtürmen des Ostens, wo Sonne, Mond und Sterne geboren werden, ich rufe euch an und beschwöre euch!«
    Die Worte schrieben sich selbst, wurden ihr wie ein Band aus dem Herzen gerissen, und zum erstenmal verstand Gilly, was Starshine mit der Macht gemeint hatte, seine eigenen Zaubersprüche zu schreiben. »Fahrt über unsere Haut wie ein Flüstern, liebkost uns. Bringt uns Phantasie; lehrt uns zu tanzen. Seid gesegnet.«
    Die anderen schwankten leicht. »Seid gesegnet«, wiederholten sie.
    Whitney drehte sich um, mit glühendem Gesicht. »Wächter auf den Wachtürmen des Südens, leidenschaftlich und heiß, ich rufe euch an und beschwöre euch. Teilt eure Hitze mit uns; macht, daß wir im Innern brennen. Seid gesegnet!«
    »Seid gesegnet!«
    »Wächter auf den Wachtürmen des Westens«, fuhr Chelsea fort, »das Blut der Erde, ich rufe euch an und beschwöre euch. Laßt euer Geheimnis über uns fließen. Seid gesegnet!«
    »Seid gesegnet!«
    Schließlich sprach Meg. »Wächter auf den Wachtürmen des Nordens, Nacht der kühlen Magie, ich rufe euch an und beschwöre euch. Vergrabt uns tief in eurer Erde; gebt uns die Macht von Erde und Stein. Seid gesegnet!«
    »Seid gesegnet!«
    »Geist«, rief Gilly, »komm und spiel mit uns, während wir unsere Bänder weben, sing mit uns, während wir das Feuer entzünden. Trag uns zu einer Welt ohne Worte. Mach diese Nacht magisch … sei gesegnet!«
    »Sei gesegnet!«
    Sie kniete vor dem Altar nieder und berührte das Weihrauchschälchen, das Wasser, die Erde und fuhr dann mit der Hand durch die Flammen des Feuers. »Ich vertreibe alle Unreinheiten des Geistes und der Welt. Wie ich will, so sei es.« Dreimal beschrieb Gillian den Kreis – mit Wasser und Erde, mit Weihrauch und schließlich mit Energie. Dann lächelte sie. »Der Kreis ist vollkommen.«
    Gillian berührte einen Zweig des Hartriegelbaums, und eine Wolke zarter, weißer Blütenblätter regnete ihr auf die Schultern. Sie hob die Hände, ihr Körper schlank und bläulich im Mondschein. »Muttergöttin, Königin der Nacht, Vatergott, König des Tages, wir feiern eure Vereinigung. Nehmt diese Geschenke an.« Sie griff in die Segeltuchtasche und nahm eins von den Säckchen heraus, die mit den Kräutern gefüllt waren, die sie im Wiccan Read gekauft hatte. Es waren insgesamt zwanzig Säckchen, die Whitney selbst angefertigt hatte. »Mach du’s«, sagte Gilly und gab ihrer Freundin das Säckchen.
    Whitney hängte es an einen Zweig, ein mohnroter Schmuck. Sie nahm die übrigen Säckchen aus der Tasche und verteilte sie an die anderen, die damit den Baum behängten. Ihre Geschenke baumelten zwischen der Blütenpracht, ein Regenbogen von Opfergaben.
    Chelsea sank auf den Boden. »Mal abgesehen davon, daß wir nackt sind, finde ich, daß nur der Gott und die Göttin voll auf ihre Kosten kommen.«
    »Was meinst du damit?«
    »An Beltane geht’s doch um Sex, oder? Aber ich sehe hier keinen Freddie Prinze Jr. in unserem Coven. Nimm’s mir nicht übel, Gill, aber du hast nicht die richtige Ausstattung.«
    Gillian wandte sich ihr zu. »Aber wohl dieser Blödmann Thomas McAfee?«
    Chelseas Wangen glühten. »So ist er nicht –«
    »Nein? Dann sag uns doch, wie er ist. Du hängst in letzter Zeit ständig mit ihm rum, ich hab schon gedacht, du bringst ihn mit. Aber so ist das wohl, wenn man einen jungen Hund abrichtet, nicht? Man läßt ihn nicht aus den Augen.«
    »Gilly –«
    »Los, wir zaubern uns einen Mann«, schlug Whitney vor. »Wir sind doch bloß alle neidisch. Stimmt’s, Gilly?«
    Aber Gillian antwortete nicht. Die anderen Mädchen wechselten Blicke, unsicher, was sie tun, was sie sagen wollten. »Wir könnten uns sowieso nicht einigen«, fuhr Whitney hastig fort. »Ich steh auf Rothaarige, aber Meg steht auf so kleine, dicke bullige Typen.«
    »Südländische Typen«, korrigierte Meg. »Und die sind nicht klein und dick.«
    Schließlich lächelte Gillian. Die anderen ließen es sich zwar nicht anmerken, aber insgeheim waren sie alle erleichtert. Das war die Gilly, die sie kannten, die sie mochten. »Wenn wir richtig gute, kleine Paganistinnen sind, machen uns der Gott und die Göttin vielleicht auch ein Geschenk.«
    Sie ging zu einem Baum in der Nähe, einer schlanken Kiefernsäule.

Weitere Kostenlose Bücher