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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Irgendwie hatte Chelsea es geschafft, an einem Ast fast drei Meter über dem Boden lange Bänder zu befestigen. Gilly nahm ein Band in die Hand und ließ es sich zwischen die Brüste gleiten, über Bauch und Oberschenkel hinweg. Sie bog den Oberkörper nach hinten, und die anderen Mädchen waren wie gebannt – Gilly veränderte plötzlich ihre Gestalt, verwandelte sich in eine Sirene, als hätte sie es schon hundertmal gemacht. »Und jetzt«, sagte sie leise, »jetzt feiern wir.«
    Addie wachte auf, die Wange an Chloes Kissen gedrückt. Es war leicht, das kleine Gesicht ihrer Tochter zu sehen, ihr unbändiges Haar. Sie legte die Hand auf die abgenutzte Baumwolle, stellte sich vor, Chloes weiche Haut an den Fingern zu spüren.
    Es ist nicht ihre Haut .
    Sie hörte die Worte so deutlich, als hätte Jack sie ausgesprochen, ein Gedanke, der wie eine Granate einschlug und genauso zerstörerisch war. Noch beunruhigender war, daß Jack sich in ihren Kopf drängte, wo sie doch hartnäckig versuchte, an Chloe zu denken. Sie wollte mit aller Kraft die Erinnerungen an die Oberfläche holen, aber es kamen nur Bilder aus der letzten Zeit: Jack, der die Arme um ihre Taille schlang; Jack, der zu ihr aufsah, während er in der Küche Paprika schnitt; Jacks Lächeln. So unfaßbar und unerklärlich es für sie auch war, in Wahrheit konnte sie sich ihr Leben ohne Jack genauso wenig vorstellen wie ohne Chloe.
    Deprimiert schlug sie die Bettdecke zurück, stand auf und ging durchs Haus. Unten an der Treppe berührte sie automatisch das kleine Foto, das dort hing, so wie immer, wenn sie daran vorbeikam, als wäre es eine Mesusa. Und im selben Augenblick begriff sie, daß sie gelogen hatte.
    Jack mochte ihr zwar nie mehr bedeuten als Chloe, aber bei Gott, er bedeutete ihr genauso viel.
    Addie ließ sich auf die unterste Stufe sinken und legte den Kopf auf die Knie. Als sie das letzte Mal einen Menschen so geliebt hatte, war er ihr genommen worden. Jack, ihre zweite Chance, hätte sie mit beiden Händen festhalten müssen.
    »Ich liebe ihn«, murmelte sie, » ich liebe ihn .«
    Addie stand abrupt auf, schwindelig und benommen, wie eine Krebspatientin, der man soeben eröffnet hatte, daß ihre Krankheit verschwunden war. Und in gewisser Weise war es nicht viel anders, schließlich hatte sie gedacht, ihr Herz sei für alle Zeit gebrochen, und auf einmal war es wieder heil. Sie holte tief Luft und spürte es: Die Leere, die durch den Verlust Chloes in ihrer Seele entstanden war, füllte sich nun allein durch den Gedanken an Jack.
    Sie mußte ihn finden. Sie mußte sich bei ihm entschuldigen. Rasch zog sie sich Schuhe und Mantel an. Sie war schon fast an der Tür, als sie stehenblieb. Ergeben wie jemand, der zu seiner Hinrichtung schreitet, ging sie wieder die Treppe hinauf.
    In Chloes Zimmer zog sie die Bettwäsche ab und trug sie nach unten. Das Wäschebündel in ihren Armen erinnerte sie daran, wie sie nachts ihr Neugeborenes gewiegt hatte. Sie stopfte Laken und Kissenbezüge in die Waschmaschine. Der frische Duft des Waschmittels stieg aus der Maschine. »Adieu«, flüsterte Addie.
    Amos Duncan konnte nicht schlafen.
    Er setzte sich im Bett auf, schaltete das Licht an und fand sich damit ab, daß er kein Auge zutun konnte. Er benahm sich albern, das wußte er. Als Vater war er überängstlich. Schon des öfteren hatte er mitbekommen, daß die Leute im Ort es bedauerlich fanden, daß er nicht wieder geheiratet hatte, Gilly zuliebe. Aber Amos hatte einfach keine Frau mehr gefunden, die ihm wichtiger gewesen wäre als seine Tochter. Was war daran bedauerlich?
    Es war dreiundzwanzig Uhr; der Film, in den Gilly gegangen war, müßte in einer halben Stunde aus sein. Es war vernünftig, daß Gilly bei den Saxtons übernachtete, denn das Kino, ja, praktisch alles, lag auf der anderen Seite von Salem Falls. Außerdem hatte Charlie wahrscheinlich eine Pistole neben dem Bett liegen. Und seiner Frau war zuzutrauen, daß sie auch eine hatte. Nicht mal Jack St. Bride wäre so dumm, sich mit der Familie des Detective anzulegen.
    Gilly war in guten Händen.
    Und trotzdem zog Amos sich um halb zwölf an und fuhr zu den Saxtons, um seine Tochter abzuholen.
    Jack wollte sich mit dem Handrücken den Mund abwischen, aber er brauchte drei Anläufe. Darüber mußte er lachen – so laut, daß er Schluckauf bekam, den er nur mit einem weiteren kräftigen Schluck Whiskey bekämpfen konnte –, und als das Problem aus der Welt war, überlegte er, worüber er

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