Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
gab er knapp zurück, „befolgt nur meinen Rat. Welcher Kammerdiener auch immer ihm die Getränke reicht, es soll stets eine vertrauenswürdige Person zugegen sein, und zwar solange, bis unser Patient alles zu sich genommen hat.“
Über diese Aussage bestürzt, wollte ich erfahren: „Wer ist in diesem Haus vertrauenswürdig? Sein Sohn? Sein Verwalter? Eine Frau darf ja nicht zu ihm vor, sonst würde ich das selbst übernehmen.“
„Wählt den Gutsverwalter. - Und jetzt muss ich mich verabschieden, es warten noch andere Patienten auf mich.“
Ich begleitete ihn hinaus, wobei er mir versprach, in drei, vier Tagen wieder vorbeizuschauen.
D amit lag die Verantwortung für den schwerkranken Baron für drei, vier Tage ganz alleine bei mir. Ein schwindelnder Gedanke.
Erst alles Vernommene in Ruhe durch den Kopf gehen lassen, riet ich mir selbst und durchstreifte dazu versonnen das Gutsgelände. Dabei nahm ich unterbewusst den auf einer Gartenbank sitzenden jungen Herrn wahr, der mir, wie ich bald darauf fühlte, intensiv nachblickte. Darüber wallte Empörung in mir auf - ich sorgte mich um seinen Vater, dessen Leben am seidenen Faden hing, und er äugte Frauen hinterher.
Als ich mich weit genug von ihm entfernt hatte, ließ auch ich mich auf eine Bank nieder und beschäftigte mich mit den Aussagen des Arztes. Den Lakaien durfte man also nicht trauen, und aus der Formulierung des Arztes musste ich sogar schließen, dass sie ihrem Herrn übel gesonnen waren. Das gleiche galt gewiss auch für die Bauern und den Müller, und wer weiß, für wen noch. Hatte ich den Baron bislang für unschuldig gehalten an der Misere in Erlenrode, so zog ich nun in Erwägung, dass die Dinge anders lagen. Zumal er ein starker Trinker gewesen sein sollte, und Trinker waren unberechenbar. Gleich drauf aber rief ich mich zur Räson - hör auf, all dies fällt nicht in dein Ressort, du hast einzig für die passende Heilkost zu sorgen und dafür, dass sie dein Patient auch zu sich nimmt.
So begann für mich nicht erst übermorgen, sondern bereits heute mein erster Arbeitstag, zumindest als Heilköchin, denn ich muss dem Baron baldmöglichst einen aufbauenden Tee servieren lassen. Jetzt fielen mir Gerlindes mahnende Worte ein, nie jemandem etwas zu verabreichen, das eigene Wünsche, nicht aber die des Betreffenden, erfüllen soll, das wäre schwarze Hexerei. Ich geriet in Zwiespalt. Nach Aussagen des Arztes mochte der Baron nicht mehr leben, und ich wollte nun alles dafür tun, ihn am Leben zu halten. Wäre das schwarze . . Nein, konnte ich mir dann selbst antworten, denn das Getränk soll ihm ja nicht eingeflößt, sondern nur angeboten werden. Darauf überlegte ich, welche Kräuter ich für den ersten Tee wählen soll. Orchis mascula fiel mir sogleich ein, ja, dazu das aufbauende Veronica und dann noch eine Spitze Thuja. Mehr nicht. Aber pflücken werde ich diese Kräuter erst nachher, damit sie frisch aufgebrüht werden, denn zuvor muss ich Herrn von Kahl über mein Gespräch mit dem Arzt unterrichten und ihn bitten, beim Servieren des Tees darauf zu achten, dass der Lakai ihn auf die richtige Weise anbietet, nämlich freundlich empfehlend und ohne den Baron zu drängen.
U nter ironischen Bemerkungen von Meister Hermann und seinen Köchen hatte ich dann den Tee zubereitet, ihn in einen goldverzierten Becher gefüllt und dem Lakaien Werner das Tablett mit dem abgedeckten Becher zum Servieren überreicht. Jetzt wartete ich im Empfangssalon auf Herrn von Kahls Nachricht, ob der Baron ihn zu sich genommen hatte.
Endlich erschien Herr von Kahl, doch er schüttelte betreten seinen braunhaarigen Kopf. „Nichts zu machen. Der Herr hat sich sofort unwillig abgewandt“, berichtete er und nahm auf dem taubenblauen Sessel neben mir Platz.
Mit dergleichen hatte ich zwar rechnen müssen, dennoch bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Es dauerte etwas, bis ich mich erkundigen konnte: „War Werner vielleicht zu aufdringlich?“
„Keineswegs“, erwiderte Herr von Kahl, „eher hat er zu früh aufgegeben. Statt dem Herrn ein wenig zuzureden, hat er nur dumm dagestanden und ist nach kurzer Zeit wieder zur Tür gekommen.“
„Er hätte den Becher so halten sollen, dass den Herrn der anregende Duft erreichte.“
„Ja“, nickte Herr von Kahl, „hatte ich ihm alles eingebläut.“
Nun entfuhr es mir: „Wenn doch Ihr ihm das Getränk anbieten und dann zum Mund führen dürftet. Ich verstehe das nicht, jeder Mensch, der Nahrung verweigert, nimmt trotzdem
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