Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
Meister Joseph aber empfahl mir: „Besser, Ihr geht jetzt wieder zum Küchengelände, denn um diese Zeit liefern die Erlenroder Bauern ihre tägliche Lehnsgabe für unser Mittagsmahl ab, und die solltet Ihr Euch ansehen.“
„Das werde ich tun.“
A us einem der Küchenfenster warf mir Hermann einen hassvollen Blick zu. Doch damit erweckte er kein schlechtes Gewissen bei mir, denn seine Kündigung hatte er sich aus mehr als einem Grund selbst zuzuschreiben.
Jetzt erschienen zwei barfüßige, in Lumpen gekleidete Bauern mit einem beladenen Handkarren, den sie wenige Schritt von mir abstellten. Gleich drauf kamen drei Köche mit Bottichen herbei, in die sie die von den Bauern gelieferten Kohlköpfe füllten. Ich war entsetzt, dieser Kohl vom Vorjahr war angefault und roch entsprechend. Die Köche nahmen ihn kommentarlos entgegen. Kein anderer Koch und sicher auch keine Hausfrau hätte ihn in der Küche verwandt. Der gleichen Meinung schienen auch die Bauern zu sein, denn sie bedachten die Köche mit verächtlichen Blicken und zogen dann so wortlos von dannen, wie sie gekommen waren. Unverständlich dieses offenbar tägliche Ritual. Doch in zwei Tagen liegt alldies hier in meiner Hand, und von da an wird dergleichen nie wieder vorkommen.
Während ich anschließend gemächlich durch einen von Vogelgezwitscher erfüllten Parkabschnitt spazierte, sann ich über das soeben Beobachtete nach. Weshalb diese ebenso verächtliche wie verdrossene Haltung der Bauern? Zugegeben, die Erlenroder Höfe müssten allesamt renoviert werden, was Aufgabe des Feudalherrn wäre. Der aber war seit geraumer Zeit krank, ihm konnten die Bauern diese Misere also nicht anlasten, Wem aber sonst? Seinem Gutsverwalter? Seinem Sohn und dessen Frau? Beides konnte ich mir nicht denken, denn Herr von Kahl war ein pflichtvoller Mann, und den jungen Herrschaften konnte der Baron die Gutsführung noch nicht anvertrauen, sie schien ja höchstens achtzehn zu sein, und er, naja, mit seiner jugendlichen Figur und diesem locker frisierten rötlichen Haar wirkte er auf mich allenfalls drei, vier Jahre älter als sie. Blieb nur die Möglichkeit, dass das junge Paar das Vermögen des Barons verprasste, weshalb die Lehnsbauern darben mussten. Aber auch das schien mir fragwürdig, wiewohl es nicht auszuschließen war. Ich nahm mir vor, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen.
D as Mittagessen mit dem angefaulten Kohl war genießbarer, als von mir erwartet, denn die Köche hatten es gekonnt mit Speck und Würze aufgewertet. In dieser Hinsicht verstanden sie ihr Handwerk.
Unmittelbar nach dem Mahl ließ ich mir Elina satteln und ritt dann langsam durch die Gassen des Dorfes. Die Menschen, die mir hier begegneten, wandten alle ostentativ ihren Blick von mir ab. Weshalb? Ich betrachtete mir die Bauernhöfe. An sich konnten sie einem gefallen, denn alle verfügten über ein vom Stall getrenntes Wohnreich, was man weiß Gott nicht in jedem Dorf fand. Wenn sie bloß nicht so marode wären. Bei einigen waren die Haustüren morsch, bei anderen die Zäune oder die Fensterläden, und bei wieder anderen hingen gar die Dächer durch. Einzig die hiesigen Kaufläden, Werkstätten und wenige andere Häuser, deren Bedeutung ich nicht einschätzen konnte, waren gepflegt. Wären die Bauernhöfe ebenso gut instand gehalten worden, könnte man Erlenrode als ein reizvolles Dorf bezeichnen, so aber wirkte es wie ein dahinwelkendes Blumenbeet. Wahrscheinlich hatte die beiden Küchenmeister, die sich bei Baron von Erlenrode beworben hatten, der Anblick dieses Dorfes abgeschreckt - oder? Nicht nur, antwortete mir mein Inneres, längst nicht nur deshalb.
Noch trauriger dann der Anblick von etwa einem Dutzend Holzhäusern, die, wie eine eigene Siedlung, den südlichen Abschluss des Dorfes bildeten. Jedes Haus stand da, als litt es Kummer, niedergedrückt und verstaubt. Ein erstaunlich großes, ebenfalls aus honiggelbem Holz bestehendes Gebäude aber hob sich von den anderen ab, was stellte es dar? Während ich näher heran ritt, entdeckte ich, dass es von Blumenbeeten umgeben war, und dann erkannte ich - es war eine zweite Kirche. Sie hatte zwar nicht die Größe der Hauptkirche, war aber ebenso gepflegt. Demnach waren die Erlenroder sehr gläubige Menschen, wofür ja auch das klosterartige Gut sprach.
Nun lenkte ich Elina nordwärts zum Dorf hinaus auf die Wassermühle zu, die an der munteren Krachel lag. Ich hoffte, dort den Müller anzutreffen, um einige Auskünfte von ihm zu
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