Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
nächsten Morgen Backwaren, frische Butter sowie mehrere Marmelade- und Käsesorten ein. Alles von meinem eigenen Geld. Derartige Einkäufe konnte ich mir als Edeldame nun leisten, da ich die von Marlis schlicht geschneiderte Adelskleidung trug und mich den Ladeninhabern als die neue Küchenmeisterin des Erlenroder Gutes vorstellte.
Zurück auf dem Gut, wusste ich alle bereits an den Abendbrottischen, doch mein Platz wird diesmal unbesetzt bleiben. Vielmehr trug ich die besorgten Waren nacheinander in den Kühlkeller, und als ich anschließend neuerlich versuchte, einen Blick in den daneben liegenden Vorratsraum für die Wein- und Bierfässer zu werfen, stieß ich auf eine verschlossene Tür. Sonst war dieser Raum stets für jeden zugänglich, um für das Mittags- und Abendmahl Getränke nachzuholen, weshalb diesmal nicht? Ich beschäftigte mich nicht weiter mit dieser Frage, sondern stieg die Steinstufen wieder hinauf und trat dann den Weg zur Hinterfront des Gutshauses an.
Dort lud mich ein zwischen Rotdornsträuchern verborgener Gartenstuhl ein, und als ich mich auf ihm niedergelassen hatte, richtete ich meinen Blick hoch zu jenen Fenstern, hinter denen das Gemach des Barons liegen musste. Da sich die vorhin so ungebührlichen Köche gerade ihre Bäuche voll schlugen, war es jetzt wundervoll still hier. Nur eine Amsel trug im Geäst einer Birke ihr melodienreiches Abendlied vor, von dem ich hoffte, es erlabe die verwundete Seele des Patienten. Wie gerne hätte ich jetzt an seinem Bett gesessen, ihm zugeredet oder auch nur ihn lieb angeschaut. Fast jeder Erlenroder revoltierte gegen diesen Mann, ich dagegen fühlte mich förmlich zu ihm hingezogen. Nicht nur, weil ich ihn bestmöglich versorgen wollte, ich hatte auch intuitiv erkannt, dass er vor dem Einsetzen seines nagenden Kummers ein ebenso großmütiger wie gerechter Feudalherr gewesen war.
Warum nur diese geballte Auflehnung gegen ihn?
Als ich mich nach geraumer Zeit zu meinem Wohnhäuschen begab, stieß ich vor meiner Haustür auf Herrn von Kahl. Mit feierlicher Geste überreichte er mir einen Schlüsselbund: „Bitte sehr, Frau von Tornle, hiermit lege ich die Schlüsselgewalt aller Küchenhäuser in Eure fürsorglichen Hände.“
Mitsamt aller Verantwortung und Plagen, dachte ich, während ich ihn an meinem Gürtel befestigte, gab jedoch in möglichst ebenso feierlichem Ton zurück: „Ich danke Euch, Herr von Kahl und hoffe, unsere Herrschaft wie auch Euch nicht zu enttäuschen.“
Als ich dann mein Haus betrat, stutzte ich - über die Schlüsselgewalt aller Gebäude eines Anwesens verfügt doch einzig die Hausfrau, war das hier anders eingeteilt? Ich sollte die junge Herrin bei nächster Gelegenheit darauf ansprechen.
A n meinem ersten offiziellen Arbeitstag trug ich zum ersten Mal meine neue Küchenkleidung. Sie war ausgesprochen adrett, dafür hatte Marlis gesorgt. Der Kittel bestand aus himmelblauem Batist, war oben her bis über die Taille eng anliegend wie ein Kleid geschneidert, die Ärmeleinsätze waren gekräuselt, und der weit schwingende Rock reichte auf meinen Wunsch nur bis zu den Knöcheln. Auch die weiße Küchenhaube war gekräuselt, passend zur weißen Zierschürze, die ich stets zum Servieren wie auch beim Speisen tragen werde. Ich glaubte, mich so sehen lassen zu können.
Nach dem Frühstück hielt ich in unserer hellen, sauberen und auch innen in sonnigem Gelb gehaltenen Küche meinen drei Köchen und den beiden neuen Gehilfen eine kurze Ansprache. Zunächst erläuterte ich ihnen die neue Arbeitseinteilung. Die beiden Köche Erwin und Kaspar hätten die jungen Gehilfen anzulernen, legte ich fest, und der Heilkoch Frowin sei nunmehr mein Assistent und Vertreter. Damit erwirkte ich spöttische Mienen bei Erwin und Kaspar, denn Frowin war ein weichlicher Mann mit entsprechend wenig Durchsetzungsvermögen. Aber er war eben Heilkoch, und das war für mich ausschlaggebend. Weiter erklärte ich ihnen, dass für den Mittag jetzt stets, außer für die Dorfarmen, ein volles Menü, also Vorspeise, Hauptgericht und Nachspeise, zubereitet wird. Dagegen opponierten Erwin und Kaspar, das sei doch mit dem wenigen Küchenpersonal hier niemals zu bewerkstelligen, worauf ich zurückgab, dass wir das im Gasthof Schramm mit ebenso wenig Küchenpersonal allemal geschafft hätten, und zwar für mitunter neunzig Personen. Sie murrten dennoch weiter, während ich fortfuhr:
„Und jetzt sage ich euch: Es wird nie mehr verdorbene Ware von den Lehnsbauern
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