Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
gerne Flüssigkeit zu sich. Kann es denn sein, dass sich der Herr Baron nicht von dem Tee, sondern von Werner abgewandt hat?“
Damit lag ich richtig, Herr von Kahl bestätigte mir: „So war es. Ich habe Euch das nicht sagen wollen, aber Werner riecht ständig nach Alkohol, und darauf reagiert unser Feudalherr in letzter Zeit immer empfindlicher.“
„Verständlich, das ist verständlich“, begriff ich jetzt. „Und was nun?“
Darauf wusste er keine Antwort. Es verging mehr als eine Minute, ehe ich uns beide anregte: „Trotzdem starten wir einen weiteren Versuch, und zwar nach dem Abendbrot.“
Herr von Kahl schloss sich meiner Entscheidung an: „Richtig, und dann wird das der Lakai Rolf übernehmen, er riecht zwar ebenfalls nach Alkohol, aber nicht gar so unangenehm.“
E s wurde abermals eine Enttäuschung, der Baron hatte sich auch von Rolf abgewandt. Inzwischen schloss ich aus vielem, dass der Baron ein eigensinniger und Furcht verbreitender Herr sein müsse. Womöglich waren Frau von Erlenrode, Herr von Kahl und ich sogar die einzigen, die sein Leben retten wollten.
Beklommen über diese naheliegende Vermutung kauerte ich in der Abenddämmerung auf den Außenstufen meines kleinen Hauses, als plötzlich freudig Herr von Kahl zu mir trat, um mir zu berichten: „Ich habe soeben ein ergiebiges Gespräch mit dem jungen Herrn geführt.“
„Worum ging es?“
„Um seinen Vater“, bestätigte er meine Hoffnung. „Ich habe ihm schonend beigebracht, wie ernst es um seinen Vater steht. Das hat ihn tief getroffen. Es war nicht leicht, ihn anschließend wieder einigermaßen aufzurichten. Doch letztendlich habe ich ihn dazu bewegen können, ihm morgen Früh Euer Heilgetränk anzubieten.“
„Das ist vortrefflich, Herr von Kahl. Wenn möglich, zu Beginn der sechsten Morgenstunde, da dieser Tee um diese Zeit seine beste Wirkung entfaltet.“
„Schön“, stimmte er zu, „dann richte ich das dem jungen Herrn sogleich aus.“
Während ich am nächsten Morgen das Getränk zubereitete, hielt sich Herr von Erlenrode bereits vor dem Küchenhaus auf, und für eine Sekunde erkannte ich, dass seine Aura bebte. Demnach fürchtete auch er seinen Vater. Nachdem ich den gefüllten Becher mit Serviette und einem kleinen Löffel hübsch auf ein Tablett zurechtgestellt hatte, trat ich hinaus und überreichte das Tablett dem jungen, angsterfüllten Herrn: „Bitte sehr, und ich wünsche Euch von Herzen Glück.“
„Danke“, brachte er nur höflich über die Lippen und wandte sich um. Ich blickte ihm daumendrückend nach, wie er den breiten Einfahrtsweg überquerte, dann weiter auf das Gutshaus zuschritt, dort die Außentreppe des Hauses erklomm und schließlich im Eingangsportal, das ihm ein Lakai öffnete, verschwand.
Im Empfangssalon wartete ich dann wieder auf Nachricht. Ich trat für einige Zeit ans Fenster und durchmaß danach mehrmals unruhig den Raum. Mir vibrierte jeder Nerv. Doch ich deutete es als gutes Zeichen, dass sich der junge Herr so lange bei seinem Vater aufhalten durfte. Hoffentlich nimmt der Baron den Tee zu sich, wenigstens ein paar Schlucke, hoffentlich!
Dann trieb mich meine Nervosität nach draußen. Ich ging hinüber auf das Küchengelände, dort wird mich Herr von Kahl gewiss finden, wenn es etwas zu berichten gibt. Durch die offene Küchentür beobachtete ich bald, wie die Köche mit wieder verdorbener Milch den Frühstücksbrei kochten. Ab morgen wird anständiges Frühstück auf den Tischen stehen! Als ein Bauer vorhin die zwei Kannen mit der angesäuerten Milch geliefert hatte, hatte ich ihm mitgeteilt, ab morgen sei ich hier die Küchenmeisterin, und ich wünschte täglich frisch gemolkene Milch. Natürlich rechnete ich nicht mit der Befolgung dieser Anordnung, aber ausgesprochen werden musste sie. Ich hatte vor, aus dem zehn Reitminuten von hier entfernt liegendem Lehnsdorf Randau, das einem benachbarten Rittergut angehörte, stets alles hier Fehlende zu besorgen und daraus täglich ein appetitliches Frühstück herzurichten.
Um zu erkunden, welche Lebensmittel hier lagerten, betrat ich jetzt das Vorratshaus mit dem Kühlkeller. Darinnen traute ich meinen Augen nicht, der Raum war reichlich gefüllt. Ich fand hier Zucker, Salz und zum Glück auch zwei Sack Mehl. Außerdem lagerten im Kühlkeller Karotten, Äpfel und Birnen vom Vorjahr, und auf einem Regal entdeckte ich Nüsse und Räucherwaren.
Gerade öffnete ich nebenan die schwere Holztür zum Wein- und Bierlager, als der Gong zum Frühstück
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