Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
ertönte. Zunächst wollte ich ihn überhören, da ich zu nervös war, um etwas zu mir nehmen zu können, am wenigsten diesen Sauerbrei. Dann aber sagte ich mir, die Männer würden mein Fernbleiben zweifellos als Feigheit deuten, weshalb ich mich doch fürs Speisehaus entschied.
Dort nahm ich wieder an dem kleinen Nebentisch Platz, den der Noch-Küchenmeister Hermann seit meinem ersten hiesigen Erscheinen mied. Mit seiner massig-schwammigen Statur und den sorgfältig verdeckten Schlitzohren thronte er jetzt stets an dem langen, lauten Tisch zwischen seinen Köchen, von wo aus er Rachedrohungen zu mir herüber schoss, die einige zum Totlachen fanden. Ich aber war heute derart angespannt, dass all dies an mir vorbeilief. Gerade kämpfte ich den ersten Löffel Brei hinunter, als mich von der offenstehenden Tür her Herr von Kahl herbeirief.
Mit flinken Schritten bei ihm, verkündete er mir freudig: „Euer Patient wünscht einen zweiten Becher.“
„Wie bitte?“
„Ihr habt recht gehört“, strahlte er, „einen zweiten Becher. Er hat das Getränk mit Genuss zu sich genommen, sagt der junge Herr, und jetzt verlangt er nach mehr.“
Für diese Nachricht hätte ich Herrn von Kahl im Reflex fast umarmt, konnte mich aber noch zurückhalten und eilte zur Küche, wobei ich ihm über die Schulter zurief: „Wartet hier!“
Rasch das Herdfeuer geschürt, stellte ich einen Kessel Wasser auf die Platte. Dann verließ ich die Küche und lief mit vorne leicht angehobenem Rock den ganzen Weg bis hinter zum Küchengarten. Herr von Kahl lief mit, obgleich er mir gar nicht helfen konnte, mich dann beim Auswählen der Kräuter eher störte. Diesmal pflückte ich zusätzlich einen Stengel des lebensbejahenden Cochlearia.
„Fertig?“, fragte er danach, ich nickte ihm zu, und wir eilten zurück.
Am Küchenhaus angelangt, wollten gerade die ersten Köche dort eintreten, doch Herr von Kahl hinderte sie daran: „Ihr wartet noch, erst hat jetzt eure künftige Küchenmeisterin darin zu tun.“
Darüber maulten sie, ich aber zwängte mich durch die dicht nebeneinander gerückten Männer hindurch, trug mit energischer Stimme dem Heilkoch Frowin auf, mir ein Tablett mit Teegeschirr aus dem Speisehaus zu besorgen und brühte dann das Getränk auf. Nachdem ich es schließlich abgeseiht und in den Becher gefüllt hatte, übergab ich das Tablett Herrn von Kahl mit den Worten: „Das ist der Durchbruch. Der Feudalherr wird heute sicher noch öfter nach Getränken verlangen, weil sein Körper ausgedörrt und er selbst auf den Geschmack gekommen ist. Haltet Euch deshalb nach Möglichkeit in seiner Nähe auf.“
„Das kann ich einrichten.“
W ie erwartet verlangte der Baron anschließend noch mehrmals nach Getränken. Das bot mir die Möglichkeit, ihre Wirkung wie auch das Aroma immer ein wenig zu variieren. Doch die Köche machten mir diese Betätigung fast unmöglich, sie traktierten mich nicht nur mit abfälligen Bemerkungen, sondern versuchten darüber hinaus, mich mit Anschubsen und sich Breitmachen von meinem Herd zu drängen, wogegen ich mich nur mit äußerster Anstrengung durchsetzen konnte.
Im Laufe des Nachmittags wurden Hermann und die drei gekündigten Köche auch gegen andere aggressiv. Über das Gelände marschierend, grölten sie lauthals ihren Unmut darüber hinaus, dass sie nun ihre Behausungen räumen und das Gut für immer verlassen müssen. Wegen der Intrigen eines ehrgeizigen Weibes, wie Hermann betonte - eines Weibes! Und die drei Köche bellten es ihm wie dressierte Hunde nach. Jeder sollte erfahren, welches Unrecht ihnen widerfahren sei, aber auch, welches Unheil nun über das Gut einbrechen wird. „Ihr werdet’s erleben! Dieses Weib verbreitet Chaos und Sünde!“ Solche Bemerkungen brüllten sie überwiegend an der Hinterfront des Gutshauses, wo im ersten Stockwerk ihr Herr hinter den Fenstern todkrank danieder lag, damit ja auch ihm bange werde. Und niemand gebot ihnen Einhalt.
So unbehaglich mir dieses Spektakel auch war, es bot mir gegen Abend die Möglichkeit, in der Küche ungestört ein diesmal beruhigendes Heilgetränk zuzubereiten, eine ganze Teekanne voll. Die umhüllte ich dann mit einem Warmhaltetuch und übergab sie Herrn von Kahl, der mir berichtete, der junge Herr sei den ganzen Tag nicht vom Bett seines Vaters gewichen. „Hoffentlich hat er die Fenster verschlossen gehalten“, konnte ich nur wünschen.
Anschließend fuhr ich mit einem Einspänner in den Nachbarort Randau und kaufte dort für den
Weitere Kostenlose Bücher