Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
anschließend meine restliche Garderobe brachte, beobachtete uns noch immer, an seinen Baumstamm gelehnt, der junge Herr, weshalb ich mich bei Jörg über ihn beschwerte: „Dreist, wie er sich aufführt, kann er seine Blicke nicht woanders hin richten?“
„Genieß das doch“, neckte Jörg mich frech, „schon der zweite attraktive Mann auf diesem Gut, der von dir bezirzt ist.“
„Aber er ist verheiratet, der Schwerenöter.“
Jörg überreichte mir die Kleidungsstücke, ich verstaute sie in meinem Garderoberaum, und als wir uns dann voneinander verabschiedeten, provozierte er mich abermals: „Verschließ bloß heute Abend gut dein Kämmerlein.“
„Jetzt aber ab mit dir!“
B ereits tags drauf erlebte ich eine herbe Enttäuschung nach der anderen. So herzlich gestern der Empfang auch war, so abweisend verhielten sich heute Früh einige Domestiken. Ahnungslos betrat ich zum Frühstück das Speisehaus, und momentan erstarb die bis eben noch so lautstarke Unterhaltung der an einem langen Tisch sitzenden Köche, Gärtner und Knechte. Nicht nur das, einige Köche erhoben sich gar ostentativ und trapsten wortlos an mir vorbei zur Tür hinaus, vornean der fettleibige Hermann. Ich war konsterniert. Doch der Stallmeister kam mir entgegen und bat mich nett: „Kommt, Frau von Tornle, setzt Euch an diesen Vierertisch, der uns Meistern vorbehalten ist, an Euren nunmehr festen Platz in diesem Haus.“
Er führte mich zu dem kleinen Extratisch, an dem mich auch der alte Gartenmeister Joseph erwartete, und nachdem wir Platz genommen hatten, forderte mich der Stallmeister auf: „Bitte sehr, greift zu. Meister Joseph und ich sind bereits gesättigt, doch wir leisten Euch gerne noch Gesellschaft.“
Auf dem Tisch befanden sich lediglich ein Breitopf und einige Löffel, sonst nichts. Während ich mir den Breitopf heranzog, musste ich an die Frühstücksgewohnheiten des Personals im Gasthof Schramm denken, wo jeder aus seiner eigenen Schale aß. Außerdem waren die Tische dort stets zusätzlich mit Milch, Brot und Käse gedeckt, hier dagegen befand sich nichts dergleichen. Als habe mir der Gartenmeister hinter die Stirn geblickt, erklärte er mir: „Brot liegt seit einiger Zeit nur abends in den Körben. Unser Dorfbäcker kann nicht mehr viel backen, denn seit die Erlenroder Mühle defekt ist, muss er sein Mehl für teures Geld von weither besorgen, was ihm nur begrenzt möglich ist.“
„Ach, deshalb.“
Ich hatte bereits zu speisen begonnen und mit Abscheu festgestellt, dass die Milch des Breis verdorben war - waren die Erlenroder Kühe ebenfalls defekt? Die sechs verbliebenen Männer an dem langen Haupttisch störten sich nicht an dem säuerlichen Geschmack, sie löffelten kräftig drauf los, jeweils zu dritt aus einer Schüssel, wobei sie nun kaum noch ein Wort miteinander wechselten.
Ich hatte nur wenig zu mir nehmen können, und jetzt verließen meine beiden Tischnachbarn mit mir das Speisehaus.
„Habt Ihr gut gemacht“, redete mir draußen der Stallmeister zu, „habt Euch von dem schlechten Benehmen des Meisterkochs nicht unterkriegen lassen. Die anderen sind ohnehin nur aufgestachelt von ihm. Also dann“, wandte er sich um und begab sich zum Stall.
Meister Joseph blieb an meiner Seite und fragte mich: „Könnt Ihr etwas Zeit aufbringen, um Euch unseren Küchengarten anzuschauen?“
„Aber ja. Das Gut verfügt über einen Küchengarten?“
In seinem verwitterten Gesicht breitete sich Stolz aus, als er sagte: „Ich dachte mir, dass Ihr ihn noch nicht entdeckt habt, denn er liegt im hintersten Bereich des Geländes und auch reichlich versteckt. Kommt, ich führe ihn Euch vor.“
Er geleitete mich durch blühende Anlagen, über einen Bachsteg des Quellbachs Lorunda, und von dort noch einige Schritte bis zu einer Wildrosenhecke. Als er mir dann zwischen der Hecke eine Pforte öffnete, lagen Beete mit den verschiedensten Kräutern, Salaten und Gemüseanpflanzungen vor meinen überraschten Augen, auch Beerensträucher und Obstbäume breiteten hier fröhlich ihre Zweige aus - wie im Odenborner Kloster.
„Ist das eine Wonne hier“, rief ich aus, worauf sich in seinem Gesicht unzählige fröhliche Fältchen bildeten und er aus seinem zahnlosen Mund lächelnd hervorbrachte:
„Schön, dass Ihr Gefallen daran findet. Unsere Köche machen selten Gebrauch von diesen Schätzen, die faulen Kerle empfinden die hundertfünfzig Schritt vom Küchenhaus bis hierher als Zumutung.“
Ich wollte tiefer in den Garten treten,
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