Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
- er wünschte eine kleine Speise.
„Sofort, einen Augenblick, ist sofort fertig“, versprach ich Herrn von Kahl und stand gleich drauf in der Küche.
Dort füllte ich fix die auf dem Herd bereitstehende Dinkelsuppe in eine kleine Terrine, und ehe ich den Deckel draufsetzte, streute ich noch ein wenig grüne Kresse darüber.
Als dann Herr von Kahl, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, das ungewohnt beladene Tablett hinüber zum Gutshaus balancierte, konnte ich nicht widerstehen, ihm nachzurufen: „Ja keinen Tropfen verschütten!“
Anschließend verschwand ich für einen Moment in mein kleines Haus. Ich war glücklich. Zwei solche Ereignisse an einem Tag, erst die Begegnung mit Frau Scholl und dann die Freude über den endlich wieder auflebenden Baron! Tante Anna hatte mir verraten, ich habe Anfang des Sonnmonds Geburtstag, womöglich war das ja heute.
D ie Tagesarbeit war verrichtet. Kaspar und Erwin konnten nicht eilig genug in den Sätteln sitzen, um mit ihren Trinkkameraden zum Randauer Wirtshaus zu reiten, und Frowin befand sich mit den beiden Küchenbuben bereits auf dem Weg ins Dorf, Frowin zu seiner Frau und seinen drei Kindern und die Buben zu ihren Eltern. Ich selbst spazierte wie an jedem Feierabend ein wenig durch das jetzt friedliche Gelände, wobei ich mich nie weit von der Küchenanlage entfernte, um bereit zu sein, meinem Patienten auf Wunsch ein Getränk oder eine kleine Speise herzurichten.
Plötzlich vernahm ich hinter mir sich nähernde Schritte, wandte mich um und sah den stets gepflegten, seit meinem hiesigen Einzug schon herausgeputzten Herrn von Kahl auf mich zukommen. Sicher verlangt der Baron nach einem Getränk, vermutete ich, doch Herrn von Kahl bewegte ein anderes Anliegen. „Entschuldigt, wenn ich Euch störe“, sprach er mich beim Nähertreten an, „aber ich muss eine Frage klären. Morgen ist Pfingsten, welchen Gottesdienst werdet Ihr besuchen, den ersten oder zweiten?“
„Wieso? - Ach so“, gab ich irritiert zurück und sagte dann etwas völlig Unpassendes: „Also wenn, dann würde ich die kleine Holzkirche vorziehen.“
„Frau von Tornle, die kleine Kirche ist protestantisch.“
Jetzt begriff ich: „So ist das, deshalb stehen in dem kleinen Erlenrode zwei Kirchen. Welche wird denn mehr frequentiert?“
„Die kleine. Doch jeder Domestik dieses Gutes besucht die katholische Kirche, das erwartet unser Feudalherr.“
Darauf kam mir nicht gerade freundlich über die Lippen: „Aus meinem langjährigen Klosteraufenthalt muss man nicht zwangsläufig schließen, dass ich katholisch bin.“
„Seid Ihr etwa Lutheranerin?“
Diese Frage empörte mich, als ob es nur diese beiden Glaubensrichtungen gäbe. Herr von Kahl war mir bisher sehr sympathisch gewesen, doch diese engstirnige Einstellung brachte augenblicklich einiges in mir zum Erliegen, und in meiner Antwort schwang ein vorwurfsvoller Unterton: „Selbstverständlich werde ich weder den einen noch den anderen Gottesdienst besuchen, sondern hier meiner Christenpflicht als Krankenbetreuerin nachkommen.“
Darauf sackte sein Unterkiefer herab, er wich einen Schritt nach hinten und stammelte: „Sicher, sicher. Entschuldigt bitte.“
Ich lenkte etwas ein: „Beten kann man auch für sich alleine, Nonnen im Krankendienst halten das ebenso. Und jetzt wünsche ich Euch eine angenehme Nacht.“
Noch immer getroffen von meiner indirekten Zurechtweisung, konnte er den Gruß nur im Flüsterton erwidern.
Während wir darauf beide unserer Wege gingen, beobachtete ich, wie drei weitere Bedienstete zum Gutsausgang vorritten. Auch sie zog es ins Gasthaus. Und morgen wanken sie dann alle benebelt, doch als gute Christen, zur Pfingstmette. Selbstverständlich in die große Kirche.
B ereits früh am nächsten Morgen hatte der Baron seine Suppe erhalten. Abgeholt hatte sie der noch von der Nacht berauschte Lakai Werner, da sich Herr von Kahl ja in der Kirche befand. Die Köche wollten anscheinend erst den zweiten Gottesdienst besuchen, denn alle drei standen in der Küche, Kaspar und Erwin noch immer Alkoholdunst verbreitend und rotäugig, wobei Erwins linkes Auge zudem unappetitlich triefte und er sich mehrmals rechts unter der Augenklappe seine Narben rieb. Allerhand, mich nachher beim Zubereiten des festlichen Mittagsmahls allein zu lassen.
Nach dem Frühstück zogen sie sich dann auch zurück, um sich für den Kirchgang herzurichten, ohne mich auch nur mit einem Wort zu fragen, wie ich alleine mit all der Arbeit fertig werde.
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