Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
er konnte jetzt wieder für kurze Zeit aufrecht im Bett sitzen und einen Teil seiner Speisen ohne fremde Hilfe zu sich nehmen. Außerdem führte er nun zuweilen kleinere Unterhaltungen mit seinem Sohn und stellte Herrn von Kahl diese und jene Frage nach den Vorgängen in seinem Gut.
Leider wusste ich all dies nur aus Schilderungen, ich könnte ihm weit besser helfen, wenn ich endlich ein eigenes Bild von seinem derzeitigen Zustand gewänne. Doch dazu wird er wohl nie bereit sein, denn eine Frau in seinem Gemach war für ihn offenbar eine Sünde, er ließ ja nicht mal seine Schwiegertochter zu sich vor. Ein eigensinniger Mann.
Unterdessen hatte ich auch von dem Randauer Bäckerpaar das Zustandekommen des Erlenroder Ruins erfahren, auch wenn sich ihr Bericht teilweise gespenstisch angehört hatte. Früher habe es sich in Erlenrode unter seinem damals noch großzügigen Feudalherrn sorgenfrei leben lassen, hatte die Bäckersfrau begonnen. Bis dieser Feudalherr, angeblich aus Kummer, über Nacht dem Teufelstrank verfallen sei. Mehr und immer mehr. Und dann die ständigen Jagden mit den anschließenden Feiern in seinem Gut - tagelange Ess- und Trinkorgien. Auf Kosten seiner Lehnsleute. Denn die hätten nicht nur ihr bestes Schlachtvieh und Ackergut für diese Gelage abliefern, sondern auch in Fronarbeit die Speisen zubereiten müssen für diese vielen Schwelger. Natürlich nur Mannsvolk und darunter auch dieser, dieser Blutsdämon . .
„Klara!“
„Was denn, ein Erlenroder hat mit eigenen Augen gesehen, wie dieses Ungeheuer in einer Rußwolke aus der Hölle hochgepufft ist und dann am Tisch ein Spanferkel nach dem anderen verschlungen hat.“
„Klara!!“
Sie hatten sich beide bekreuzigt.
„Wenn es doch so war, das mit dem Blutsdämon“, hatte sie dann auf dieser Behauptung beharrt, worauf sich ihr Mann abermals bekreuzigt und den Bericht dann seinerseits fortgesetzt hatte:
„Die armen Erlenroder haben auch die Gäste bedienen und anschließend den Saustall, den diese Gäste hinterlassen haben, aufräumen müssen. Immer wieder. Auch in der Erntezeit! Darum ist dann nicht nur ihr Viehbestand immer mehr geschrumpft, es ist auch die Ernte immer schmaler ausgefallen. Und damit dieser teufli . .“, hastiges Kreuzschlagen, „damit der Herr Baron seine vornehmen Gäste weiterhin mit den Gaben seiner Lehnschaft verwöhnen kann, hat er seinen geplagten Bauern verboten, nicht ein Produkt von ihren Höfen oder Feldern mehr auf fremden Märkten zu verkaufen. Dadurch hat dann bald kein Bauer mehr eine Münze in seiner Tasche gehabt. - Genau so ist das in Erlenrode zugegangen, so und nicht anders.“
„Ja“, hatte die Bäckersfrau bestätigt, „genau so ist das zugegangen. Bis die Disen nach der völlig kaputten Ernte letztes Jahr mit einem eindeutigen Himmelszeichen dafür ein Opfer verlangt haben, damit dieses Elend ein Ende finden kann.“
„Nicht die Disen fordern es, Klara, sondern unser himmlische Herr.“
„Nein, unsere Disen. - Jedenfalls, man soll es nicht glauben, nämlich, dieser gleiche Baron ist dann bereit gewesen, für all seine Versündigungen an den Erlenrodern mit seinem eigenen Leben zu bezahlen. Was er jetzt auch endlich tut. Und das ist gerecht.“
So die Aussagen des Randauer Bäckerehepaars.
Strich man die Fantastereien davon ab, dann deckten sie sich mit meinen eigenen bisherigen Feststellungen. Allerdings hatte ich mich nach diesem Gespräch erschrocken daran erinnert, dass ich das Gebot des Barons an seine Bauern, keinerlei landwirtschaftliche Produkte mehr auf fremden Märkten zu verkaufen, in meiner Unkenntnis bereits an meinem ersten Arbeitstag aufgehoben hatte. Rückgängig machen konnte ich das nun nicht mehr. Wollte ich, ehrlich gesagt, auch nicht, ich hoffte lediglich, die Bauern machten so unauffällig davon Gebrauch, dass es dem Baron nicht zugetragen werden kann.
Nun könnte man annehmen, mich hätten die Ausführungen der Bäckersleute gegen den Baron aufgewiegelt. Aber nein, das hatten sie nicht, an meinem eigenen Bild von ihm hatte sich dadurch nichts ändern können.
H err von Kahl hatte indessen seine Scheu vor mir verloren, wir verstanden uns wieder, wenngleich von meiner Seite her etwas Distanz zwischen uns verblieben war. Fast war es uns schon zur Gewohnheit geworden, uns nach Feierabend auf einer Gartenbank zu treffen, wo wir uns dann über die Geschehnisse des Tages beredeten.
Wie auch jetzt. In seiner, wie stets, eleganten Kleidung nahm er nach meiner einladenden
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