Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
blutjunge und derzeit überlastete Hausfrau des Erlenroder Gutes. Offensichtlich stärkte es sie, bei mir Unterstützung gefunden zu haben.
Als ich mich schließlich zurückziehen wollte, bat sie mich, noch kurz zu bleiben, sie habe mir etwas anzubieten, was ihr schon länger durch den Kopf gegangen sei. Mir gegenüber stehend blickte sie mir fest in die Augen und fragte mich, ob ich ihre Assistentin und Vertreterin werden wolle, mit allen Privilegien dieses Ranges und der einzigen Aufgabe, ihr gegebenenfalls beratend zur Seite zu stehen. „Auf dass Ihr in dem hiesigen Männerhaushalt einen leichteren Stand gewinnt“, erklärte sie abschließend. „Und? Sagt Ihr ja dazu?“
„Mit Freuden, gnädige Frau, und danke für diese Ehre.“
Darauf lächelte sie mir freundschaftlich zu und sagte, sie werde heute Abend Herrn von Kahl von meiner Ernennung in Kenntnis setzten und ihm auftragen, das Gesinde von dieser Neuregelung zu unterrichten.
Damit werde ich ab morgen allen Domestiken übergeordnet sein, selbst Herrn von Kahl, ging es mir auf meinem Weg zurück zum Küchenhaus erleichtert durch den Kopf. Aber werden mir Kaspar und Erwin auf Grund dessen endlich Respekt entgegenbringen, mir, einer Frau? Ich rechnete kaum damit.
I m Laufe dieses Nachmittags musste der arme Herr von Kahl, so peinlich es ihm auch war, noch zweimal bei mir leichte Heilkost für den Baron holen.
Und am Pfingstmontag sogar noch öfter, wobei er mir noch immer nicht in die Augen schauen konnte, obwohl ich ihm in meiner Freude über den zunehmenden Appetit des Barons zuredete: „Unsere Geduld hat sich ausgezahlt, ist das nicht wundervoll?“
Ein leises: „Doch“, vernahm ich von ihm, und dann brachte er es fertig, mir mit dünner Stimme zu meiner Assistentenposition, über die er jeden Domestiken informiert habe, zu gratulieren. Auch dabei hatte er mir seinen Blick nicht zuwenden können.
So nachhaltig war er getroffen. Wahrscheinlich war ich bei unserem Gespräch über den Kirchgang auch zu schroff mit ihm verfahren, was mir nur hatte passieren können, weil mir hier zu viel abverlangt wurde.
Meinem höheren Rang entsprechend wurde ich fortan vom Gesinde tatsächlich mehr respektiert, bis auf, wie zu erwarten, Kaspar und Erwin, die sich mir gegenüber weiterhin so ungebührlich betrugen wie am ersten Tag. Pünktlichkeit blieb für sie ein Fremdwort, die von mir geforderte Sauberkeit hielten sie nur bedingt und unter hämischen Widerworten ein, und meine Anweisungen beim Kochen versuchten sie mit allen Tricks zu umgehen, weshalb ich während meiner eigenen Tätigkeiten unentwegt auch die ihren überwachen musste. Und dabei immerzu ihre bissigen Bemerkungen.
Aber war mir das nicht schon immer so ergangen? Ich hätte es wissen können, mein Leben war nunmal gepflastert von schier unüberwindlichen Neubeginnen - im Odenborner wie auch im Allertaler Kloster, dann im Gasthof Schramm, und folgerichtig jetzt auch hier.
Begrüßenswert dagegen fand ich, dass mich mein fast ausschließlicher Umgang hier mit Männern verändert hatte, ihr Benehmen hatte auf mich abgefärbt, was sich besonders in meinem inzwischen herrischen Ton in der Küche zeigte. Wie auch sonst hätte ich mich hier behaupten? Ich werde dieses Benehmen und vor allem den Ton beibehalten, bestärkte ich mich jetzt. Und ich werde auf Erwins und Kaspars Unverschämtheiten sogar mit noch schärferem Gegenwind reagieren als bisher. Mir wurde immer klarer, gegen diese beiden Köche kann ich mich nur mit Schneid durchsetzen.
D arüber war der Sonnmond verstrichen, während dem sich hier letztlich doch einiges leichter für mich gestaltet hatte. Alle drei Küchenhäuser wurden nun sauber gehalten, die Tische stets appetitlich gedeckt, und unser Gewürzregal war inzwischen gefüllt mit achtundvierzig verschiedenen Trockenkräutern, alle in gefälligen Gefäßen, die Frowin alphabetisch einsortiert hatte. Bezahlt hatte ich diese Ware aus eigener Tasche, um die strapazierte Gutskasse zu schonen, was dem viel beschäftigten Herrn von Kahl nicht hatte auffallen können. Daneben beflügelte mich eine weitere Freude, in fünf Wochen wird Elgrin Schülerin von Frau Scholl.
Das Bedeutsamste für mich war indes, dass der Baron zunehmend an Kraft gewann. Zwar wusste ich von seinem Arzt, dass er nie wieder gesund werden kann, da er all seine Organe mit seiner haarsträubenden Lebensweise ruiniert hatte, doch ich strebte zumindest einen erträglichen Zustand für ihn an. Der Anfang war bereits gelungen,
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