Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
vor den scheibenlosen Fenstern zugeklappten Läden, war der Saal ein einziges trübes Grau. Wie ein düsterer Regentag.
Ebenso enttäuschten mich anschließend die übrigen Klostergebäude, die ich mit Erlaubnis der Äbtissin nacheinander neugierig von innen betrachtete. Zunächst direkt neben der vorderen Klosterpforte das große Waren- und Handelshaus, in dem auf Regalen zum Verkauf etliche Arzneien lagerten. Obschon es hier köstlich nach Kräutern duftete, war es so kalt in den Räumen, dass mich die hier tätige Schwester Augusta dauerte. Anschließend ging ich an der Klostermauer entlang zum Domestikenhaus der Pferdepfleger, Gärtner und Knechte, das ich nicht betreten durfte, geschweige denn wollte. Dafür schaute ich mich dann umso interessierter im Domestikenhaus der Köchinnen, Wäscherinnen und Mägde um - es wirkte ebenso trostlos wie unser Dormitorium, wenngleich die Schlafkammern nicht ganz so spartanisch eingerichtet waren wie die Nonnenzellen. Bevor ich danach meinen Besichtigungsgang fortsetzte, sah ich kurz an der Klostermauer hoch. Ich hatte mich inzwischen über ihren Zweck kundig gemacht, sie schützte uns vor den gefürchteten Sakralschatzräubern, die vorzugsweise Nonnenklöster überfielen. - Räuber, Gesindel! - meldete sich plötzlich eine dumpfe Erinnerung in mir, wobei sich wieder dieses Kopfprickeln einstellen wollte. Um mich abzulenken, richtete ich rasch meinen Blick auf die drei rauchenden Schornsteine des Küchenhauses und fragte mich, für wie viele Personen in diesem Haus wohl täglich gekocht werde. Ich rechnete nach: Für die vierzig Klosterbewohner, die dreißig Studenten, die etwa zehn Dorfarmen aus der Umgebung sowie für die Pilger und die sonstigen Durchreisenden. Für etwa neunzig Personen also. Allerhand, fand ich und stellte erleichtert fest, dass mein Kopf wieder in Ordnung war.
Für die inwendige Betrachtung der nächsten grauen Gebäude, die sich über das weite Gelände verteilten - das Apothekerlabor mit der ärztlichen Ordination, die Verwaltung, in der sich auch die reich bestückte Bibliothek befand, für die Kapelle und für das Abthaus - nahm ich mir ausreichend Zeit und plauderte dabei auch hin und wieder ein wenig mit den jeweils darin beschäftigten Schwestern.
Darüber war der Vormittag vergangen, und meine tristen Erkundungen erweckten nun in mir den Verdacht, dass Farben für Nonnen sündig seien. Was mich keineswegs traurig stimmte, vielmehr freute ich mich ungemein über meinen jetzt freien Blick, auch wenn er sich nur auf das rechte Auge beschränkte.
A ls ich am Nachmittag bei Tante Anna im Besuchsraum des Abthauses saß, eröffnete sie mir, ihr gestriger Gast sei unser Landesherr, Segbrecht Graf von Zollern, gewesen, der auch mir bekannt sein dürfte, da er mich schon einige Male persönlich begrüßt habe. Ein nobler Herr, betonte sie, in dessen Besitz diese Klosteranlage stehe, für deren Benutzung er keine Pacht von uns verlange, obgleich er Lutheraner sei. Und gestern habe er uns gar ein Spinett geschenkt, das demnächst in einer der Refektoriumsstuben aufgestellt werde. Nach dieser Ankündigung wurde mir leicht taumelig, und ich hörte mich flüstern: „Ein Spinett, wie wundervoll. Bei seinen feinen Klängen gerät man ins Träumen.“
Darüber lächelte die Äbtissin erfreut und bot mir an: „Du könntest im Spinettspiel unterrichtet werden, Graf von Zollern hat einen Musiklehrer erwähnt, den ich für dich engagieren würde.“
Wieder klar bei Sinnen, wehrte ich ab: „Für mich engagieren? Das kann ich nicht annehmen.“
„Nicht immer so bescheiden, Tora, ich jedenfalls kann dir diesen Unterricht empfehlen. Doch das bereden wir ein andermal.“
Nach einer kurzen Schweigepause erkundigte sie sich, ob ich mich zu einer Aufgabe hier im Kloster entschieden habe, worauf ich ihr mit entschlossenem Blick kundtat, wozu mich eine innere Stimme angeregt hatte: „In der Küche helfen.“
„In der Küche“, wiederholte sie erstaunt, überlegte jedoch gleich drauf: „Ja, warum sollten wir diesen Part deiner Hausfrauenausbildung eigentlich nicht vorverlegen, er wäre ohnehin demnächst an der Reihe. Nur herrscht dort ein für dich ungewohnt derber Umgangston, Tora. “
„Der stört mich nicht, ich habe schon mehrmals mit den beiden Küchenmägden ein paar Worte gewechselt.“
„Schön“, erklärte sie sich damit einverstanden, „ich bespreche mich mit Gerlinde, der Küchenmeisterin, und dann sehen wir weiter.“
Wieder legte sie eine Pause ein,
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