Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
war jener Tag, an dem er die Bibliothek aufsuchen sollte, ich wollte ihm mitteilen, dass Magda ihm die Werke aushändigen wird, er aber bot mir keine Gelegenheit dazu.
Als ich jedoch nach dem Mittagstisch die Bibliothek betrat, wartete er dort bereits auf mich und kam mir lächelnd entgegen: „Und? erlaubt es die Bibliothekarin?“
Erstaunt über seinen wieder vertrauten Ton, kam es mir unsicher über die Lippen: „Du bist schon da?“
„Bin ich zu früh? Soll ich lieber später kommen?“
Nur jetzt keinen Fehler begehen, ermahnte ich mich, und schlug ebenfalls einen freundlichen Ton an: „Nein, Raimund, aber wir müssen noch auf Schwester Magda warten. Ja, du darfst die Werke lesen.“
Darauf strahlte er, und während wir tiefer in den Hauptraum mit seinen dichtgefüllten Bücherregalen traten, erläuterte ich ihm: „Es handelt sich um die Werke zweier Autoren, um die der Hildegard von Bingen und die des Paracelsus. Sie haben beide über Heilkunst geschrieben sowie über die Seele und den Geist, doch mich fesseln ihre Ausführungen über die kosmischen Zusammenhänge am meisten.“
Darauf zog er nachdenklich seine blonden Brauen zusammen und erkundigte sich dann vorsichtig: „Widerspricht denn dieses Gebiet nicht deiner Gesinnung?“
Ich verstand seine Frage nicht, weshalb er deutlicher wurde: „Als künftige Nonne, dachte ich, darf man sich nicht - naja, war wohl ein Irrtum.“
„Das ist aber ein gewaltiger Irrtum, Raimund, ich werde doch nicht Nonne.“
Er sah mich verblüfft an. Und nun begriff ich - die Studentinnen hatten verbreitet, ich trete nach meiner Ausbildung ins Kloster ein, daher Raimunds merkwürdiges Verhalten mir gegenüber. Höchste Zeit, ihn aufzuklären: „Ich habe nicht die Absicht, den Schleier zu nehmen, Raimund. Unsere Mitschülerinnen vermuten das zwar, und aus gutem Grund lasse ich sie in diesem Glauben, aber der Tatsache entspricht es nicht.“
Seine Verblüffung wollte nicht weichen, er fuhr sich abwesend über die Stirn, und dann bewegten sich seine Lippen, er murmelte etwas für mich nicht Vernehmbares.
Kurz darauf erschien Magda. Als sie Raimund erblickte, richtete sie sich ruckartig auf und verbiss abweisend ihr Gesicht. Er dagegen begrüßte sie mit einer formvollendeten Verneigung: „Ich bin Euch dankbar, Schwester Magda, dass Ihr mir Eure kostbaren Werke anvertrauen wollt.“
Ihre bornierte Erwiderung entsetzte mich: „Wenn Ihr sie nur anständig behandelt, Herr Student.“
Mit einer Handbewegung beschied sie mir, die ihr verhassten Schriften herauszusuchen und verflüchtigte sich dann wortlos in einen Nebenraum.
Um die peinliche Situation zu überspielen, fragte ich Raimund salopp: „Wen zuerst, Meisterin Hildegard oder Meister Paracelsus?“
„Damen gebührt der Vortritt“, gab er lächelnd zurück.
Darauf zog ich die erste der drei Hildegardschriften aus dem Regal, reichte sie ihm, und als ich ihn in die Lesestube führte, wollte er wissen, ob und wann er wiederkommen dürfe. Ich versprach ihm, diese Frage umgehend zu klären.
Tat es dann aber doch nicht, da ich mich trotz besten Willens nicht überwinden konnte, Magda jetzt gegenüber zu treten.
Ü ber Nacht hatte Raimund seinen Charme zurück gefunden. Während wir Studenten am folgenden Vormittag im Lehrsaal der Bibliothek Elisabeths Vorlesung über Arzneien gegen Milzerkrankungen lauschten, blinkerte und lächelte er mir mehrmals zu. Selbst nachdem Elisabeth ihr Buch zugeklappt hatte und unsere Meinung zu dem Vorgelesenen erfahren wollte, galt sein Interesse weniger dem Unterricht als mir.
Und nach Beendigung des Unterrichts bemühte er sich, an meine Seite zu gelangen. Doch Magda hinderte ihn daran; in der Tür stehend, bat sie mich in einen Nebenraum und erkundigte sich dann in warnend spitzem Ton: „Kennst du diesen jungen Herren näher?“
„Wen meinst du?“, stellte ich mich dumm, worauf sie gereizt reagierte:
„Tu nicht so, den von gestern.“
„Ach so, den du so herablassend behandelt hast. Nein, nicht näher als jeden anderen Studenten.“
Darauf giftete sie: „Gib dich nicht ab mit ihm, er ist Lutheraner.“
Diese Bemerkung nahm mir für einen Moment den Atem, und nur um etwas von mir zu geben, fragte ich dann: „Woher willst du das wissen?“
„Ich weiß es eben. Und dir dürfte das auch nicht fremd sein, nimmt er denn an Pater Karolus’ Religionsunterricht teil?“
„Weiß ich nicht.“
„Aha“, trumpfte sie auf, „weil auch du nicht daran teilnimmst.“
Ich wandte mich alteriert zum
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