Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
Räuber beim Stehlen ertappen und überwältigen werden.
Es wurde eine lange Nacht, in der immer wieder eine von uns, Kopf auf dem Tisch, vorübergehend einnickte.
Am Ende waren die Äbtissin und ich gänzlich eingeschlafen.
„G sch, gsch“, drang es an mein Ohr, dann Norburgas Flüsterstimme: „Komm zu dir, meine Kleine, langsam, langsam die Äuglein öffnen.“ Dann wandte sie sich behutsam an die schlafende Äbtissin: „Hallo, ehrwürdige Mutter, langsam aufwachen. - Doch nicht erschrecken, es ist nichts passiert, alles in Ordnung.“
Notburga konnte bisweilen ganz reizend sein. Während die Äbtissin und ich nun zu uns fanden, schoben wir unsere verrutschten Kopfbedeckungen zurecht, und plötzlich peitschte mich meine mit mir erwachte Angst hoch: „Was macht das Diebespack?“
„Deshalb habe ich euch geweckt“, erklärte uns Notburga. „Erst haben sie nacheinander den Abort aufgesucht, danach haben sie begonnen, drüben in ihrem Saal zu rumoren - hört ihr‘s? Geht schon eine ganze Weile so. Und dann habe ich einige über den Flur trapsen hören.“
Die Äbtissin presste ihre Hände auf die Brust: „Oh, Gott! Welche Richtung haben sie genommen?“
„Zum Speiseraum, und von da aus womöglich hinaus. - Hört ihr?“
„Ja“, erkannte die Äbtissin, „wieder einer im Flur. Ich luge durch den Türspalt.“
„Nur nicht!“
„Bitte nicht, Tante Anna!“
„Doch.“
Ich hielt den Atem an, als die Äbtissin die Klinke runterdrückte, geräuschlos die Tür ein wenig öffnete und ihr Auge an den Spalt drückte. Nach mehreren bangen Sekunden, die mir endlos schienen, zog sie den Kopf zurück, schloss die Tür und berichtete: „Er trägt Gepäck nach draußen. Einen Sack auf dem Rücken und einen in der Hand, habe ich ihn in den Speiseraum gehen sehen. Wahrscheinlich beladen sie ihre Pferde, um nach dem Raub schneller zu entkommen. Wenn nur unsere Schwestern noch nicht zur Morgenandacht aufbrechen. Wie spät mag es sein?“
Notburga klappte den Fensterladen auf, worauf wir erkannten, dass es noch stockfinster war. Im Flur hörten wir bald niemanden mehr. Was aber trieben die Schurken auf dem Gelände? Was sollten wir jetzt unternehmen?
Während wir noch ratlos und angsterfüllt in unserer Stube verharrten, ertönte vom Speiseraum her mit einem Mal eine Frauenstimme: „Hallo! - Wo steckt ihr? Hallo, Anna, ich bin es doch nur!“
Es war Gerlinde. Die Äbtissin stieß erleichtert die Tür auf: „Hier!“
Wir drängten fast gleichzeitig hinaus, und Gerlinde lief und rief uns entgegen: „Sie sind fort! Ohne das Kloster zu bestehlen, haben sie das Feld geräumt. Acht waren es doch, oder?“
„Ja, acht Mann.“
„Richtung Mössingen sind sie geritten. Der aufmerksame Student hat mir gerade berichtet, er und die Landsknechte hätten die Schurken vom Stall aus mit ihren Packpferden und brennenden Fackeln abziehen sehen. Die sind wir los.“
Ich war noch zu angespannt, um mich darüber freuen zu können, und den anderen beiden erging es offenbar ebenso, denn keine brachte einen Ton hervor. Bis Notburga kopfschüttelnd brummte: „Hätte ich nie gedacht von diesen Krakeelern, sich klammheimlich fortzustehlen, hätte ich nie gedacht.“
Darauf bemerkte Gerlinde mit feinem Lächeln: „Mich überrascht es nicht, schließlich hält die Wirkung ihrer genossenen Kost mehr als nur ein paar Stunden an.“
Dafür drückte die Äbtissin ihr beide Hände und bedankte sich anschließend auch bei Notburga und mir: „Ihr wart großartig, alle beide. Dafür stelle ich euch den heutigen Tag zur freien Verfügung. Schlaft euch aus und vertreibt euch anschließend die Zeit wie immer ihr wollt.“ Dann wieder zu Gerlinde gewandt: „Und dir empfehle ich das gleiche, übertrage die Verantwortung der Küche heute deiner Vertreterin, das bist du dir nach dieser Leistung schuldig.“
„Hast recht, Anna.“
U nruhig wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Die zurückliegenden Erlebnisse ließen mich keinen Schlaf finden, und dämmerte ich doch etwas ein, dann grinsten mich sogleich schmierige Räuberfratzen an, worauf ich mich anstrengte, wieder wach zu werden.
Bis ich aufgab. Ich verließ mein Bett mit dem Entschluss, einen befreienden Spaziergang zu unternehmen. Dazu wählte ich meine beige Herbstkleidung mit der durch Ölbehandlung wetterfesten Kapuzenschaube und die über die Fesseln reichenden Stiefeletten, unter die ich mir Trippen, dicke Holzsohlen gegen Straßenverschmutzung, schnürte. Und am Schluss zupfte ich
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