Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
diesen Gelegenheiten also leicht beobachten können, was ich ihr sogar zutraute. Weshalb aber hätte sie sich damit dann an Magda wenden sollen? Nein, das ergab keinen Sinn. Magdas hässliche Androhungen waren eher auf ihre eigenen Beobachtungen zurückzuführen. Raimund wusste ja nicht, dass sie während der Vorlesungen in der Bibliothek versteckt ihr Auge auf uns richtete, wobei ihr unser gegenseitiges Interesse nicht entgangen sein konnte. Daher ihre Reaktion, sie wollte und will meinen Kontakt zu diesem Protestanten unterbinden. Ich überlegte, ob ich Raimund darüber aufklären soll.
Anderen Tags bot sich die Gelegenheit dazu, denn als ich Reike am Zügel an der Landstraße entlang führte, kam mir auf seinem braun-weiß gescheckten Wallach Raimund entgegen. Doch ich verwarf mein Vorhaben, Raimund über Magda zu berichten, ich wollte unsere kurze, kostbare Zeit nicht mit diesem Thema vertun. Bei mir angelangt, stieg er ab und stellte erfreut fest: „Reike hält sich tapfer, sie zeigt kaum Scheu.“
Gleich drauf wandte er den Kopf von mir ab, machte sich an seiner Kappe zu schaffen, dann blickte er unter sich, und endlich brachte er heraus, womit er sich fraglos schwer tat: „Du wirst also an Ostern ausreiten. - Alleine?“
Ich begriff nicht, worauf er hinauswollte, weshalb ich nachfragte: „Hältst du das für gefährlich?“
„Nicht unbedingt. Eigentlich wollte ich - ich wollte nur anfragen, ob du mich an deiner Seite dulden würdest. Ich kenne die hiesige Gegend recht gut, ja, auch schöne Reitwege kenne ich. - Ist nur ein Angebot.“
Jetzt erkannte auch ich, dass er schüchtern war, weshalb ich möglichst unbekümmert zusagte: „Ein verlockendes Angebot, das ich gerne annehme.“
Darauf leuchteten seine blaugrauen Augen auf - ich aber stutzte jetzt: „Gehörst du denn nicht zu den Studenten, die Ostern und Pfingsten stets zu Hause verbringen?“
„Schon, doch unter diesen Umständen werde ich meiner Familie am kommenden Sonntag bekannt geben, dass ich Ostern diesmal in der Schule feiere.“
Diese Erklärung reizte mich, ihn ein wenig zu kitzeln: „Ahja, dann sagst du also deinem Vater, du wirst die Feiertage mit einer hiesigen Studentin verbringen.“
Momentan verdutzt über diese Bemerkung, musste er im nächsten Augenblick umso ausgelassener lachen, um dann hervorzubringen: „Au Tora, du Freche!“
O stern lag dieses Jahr spät in der Zeit. Die Obstbäume zeigten sich bereits in ihrem blütenreichen Hochzeitskleid, umsummt von emsigen Insekten, und rings umher grünte es fröhlich. Raimund und ich ritten nebeneinander über einen pferdefreundlichen Weg, als er mir ein Kompliment aussprach: „Das Reitkostüm steht dir ausgezeichnet, ich hätte nicht gedacht, dass ein Rock das Sitzen im Herrensattel zulässt.“
„Es ist ein sehr weit geschnittener Hosenrock, Raimund, eigens für diesen Zweck.“
„Ei, wie raffiniert. Dadurch erkennt niemand, dass du im Herrensattel reitest, auch ich habe bei unserer Begrüßung daran gezweifelt.“
Mein Hut und die Kleidung waren rotbraun, verbrämt mit schwarzem Leder, ich hatte beim Kauf diese Farbe gewählt, weil sie dem Fell meiner Reike entsprach. Jetzt freute ich mich besonders über diese Farbwahl, da sie mit Raimunds heutiger Kleidung, seinem rot-grünen Knappenanzug mit dem flott geschwungenen Federhut, harmonierte. Es war ein erhebendes Gefühl, an Raimunds Seite zu reiten, noch dazu, weil er so ausnehmend höflich und aufmerksam war, auf mich wirkte er heute mehr denn je wie ein Schutzritter.
Unser Weg mündete bald in einen Wald, der frischen Frühlingsduft verbreitete. Wir unterhielten uns nur wenig, umso mehr genoss ich seine Nähe, seine warme Ausstrahlung, die nicht so hart war wie die anderer Männer, aber mindestens so kraftvoll. Ich hätte jetzt an seiner Aura seine Gefühle für mich ergründen können, doch mein Gewissen verbot es mir. Als wir uns dem Waldende näherten, schlug er vor, in Oberau unser Mittagsmahl einzunehmen, dort kenne er einen passablen Krug mit geräumigem Pferdestall. In meiner Freude, endlich eine Gaststätte von innen kennen zu lernen, stimmte ich gerne zu.
Beim Betreten jenes Krugs verwunderte mich, wie ehrerbietig Raimund begrüßt wurde. Dem Wirt flogen bei seiner Verbeugung mit Kratzfuß alle Haare vornüber, wonach er untertänig hervorbrachte: „Willkommen Herr von Zollern. Wünscht Ihr mit dem verehrten Fräulein zu speisen oder nur kurz zu rasten?“
Ehe Raimund antworten konnte, knickste die Wirtin vor ihm
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