Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
wieder ein Gefühlschaos in mir aus, dem ich mit einem inneren Befehl entgegenwirkte - natürlich bleiben, ganz natürlich bleiben. Raimund bot mir an, Reike zu satteln, und ich nahm dankbar an: „Gerne, aber mit dem Herrensattel dort.“
„Weiß ich doch, ich habe dich oft genug darauf bewundert.“
Das war mir weniger angenehm, denn den meisten missfiel der Anblick einer Dame im Herrensitz, besonders der einer Adeligen. Doch Raimund hatte ‚bewundert’ gesagt, hatte also seine eigene Meinung dazu. Während er nun die Sattelriemen verschloss, erkundigte ich mich nach seinem eifrigen Lesen in der Bibliothek, worauf er mir meine eigene Erfahrung bestätigte: „Da findet man nie ein Ende. Ich habe alle Schriften gelesen, einschließlich die des Paracelsus’, und jetzt vertiefe ich mich wieder in die für mich besonders interessanten Abhandlungen. - Bitte sehr, Reike ist bereit.“
Ich nahm den Zügel entgegen und führte sie hinaus, und er, statt mich zu begleiten, rief mir nach: „Viel Spaß euch beiden!“
Bereits am folgenden Abend überraschte mich Raimund, als ich vom Reiten zurückkehrte, abermals im Stall. Heute ungewohnt ernst. Und nachdem ich Reike zu ihrem Stellplatz geführt hatte, legte er mir dar: „Hier ist der einzige Ort, Tora, wo wir ungestört ein paar Worte miteinander wechseln können, und jetzt möchte ich dir etwas mitteilen, womit ich bisher gezögert habe. Schwester Magda erlaubt sich bei mir seit einiger Zeit unschöne Bemerkungen über dich und mich. Ich muss daher annehmen, einer unserer Mitschüler hat über uns geplaudert. Vermutlich bei Pater Karolus, der ja als Probst häufig mit den Nonnen zusammentrifft und es Schwester Magda weitergetragen hat. Anders kann ich mir das nicht erklären.“
„Weil du Schwester Magda nicht kennst, Raimund. Mir scheint eher, sie will dich über uns aushorchen, das hat sie bei mir ebenfalls versucht.“
Er atmete tief durch, ehe er seine Ausführung ergänzte: „Was immer sie dazu veranlasst, sie hat mir versteckt angedroht, meinen Vater zu unterrichten, sobald sie herausfinde, dass zwischen dir und mir eine Liebelei bestehe.“
„Kennt sie ihn denn?“, forschte ich, worauf er erwiderte:
„Bestimmt nicht persönlich, aber da ihr mein Nachname nicht fremd ist, wäre das kein Hindernis. Sicher geht sie davon aus, ich sei anderweitig gebunden und geriet dadurch in Schwierigkeiten. Doch die Dinge liegen anders. Vater hat mir auferlegt, mit keiner hiesigen Studentin näheren Kontakt aufzunehmen, woran ihm offensichtlich viel liegt, da er sich bei fast jedem meiner Besuche erkundigt, ob ich dieses Gebot auch einhalte. Anfangs gelang mir das auch mit Leichtigkeit, doch seit du mir begegnet bist, und erst recht, seit ich weiß, dass du nicht Nonne wirst, fällt mir das schwer.“
Ob dieser angedeuteten Liebeserklärung schnürte sich mein Hals zu, und da ich nichts entgegnete, mutmaßte er:
„Verstehe, dich beschäftigt dieses Gerede. Aber du sollst wissen, Tora, dass ich bei alledem mehr auf deinen als auf meinen Ruf bedacht bin. Trotzdem finde ich, wir müssen uns deshalb nicht meiden“, er stieß mich nett an, „hm, du?“
Ich nickte nur.
In welche Bedrängnis wären wir wohl geraten, hätten wir damals gewusst, dass Raimunds Vater nicht irgendeine Studentin, sondern einzig mich meinte, mit der Raimund keinen Kontakt aufnehmen sollte. So aber sahen wir keine Veranlassung, unsere gegenseitige Sympathie zu unterdrücken, und die Geschehen nahmen ihren Lauf.
Reike war indes entsattelt, und während Raimund und ich nun langsamen Schritts den Stall verließen, wollte er erfahren, wann ich auszureiten gedenke.
„An Ostern“, sagte ich ihm, „für Ostersonntag habe ich mir den ersten Ausritt vorgenommen.“
„Das ist ja bereits in - warte - in zehn Tagen. Dann solltest du aber deine Reike umgehend draußen an die belebten Straßen gewöhnen, sonst scheut sie dir an Ostern.“
„Stimmt“, erschrak ich über dieses Versäumnis, „daran habe ich nicht gedacht. Danke für den Rat.“
„Stets zu deinen Diensten, Tora“, entgegnete er liebenswürdig.
W ar etwa Notburga für Magdas Verdächtigungen verantwortlich? Ich musste es in Erwägung ziehen. Zwar benahm sich Notburga mir gegenüber seit dem Räuberbesuch zurückhaltender, erkundigte sich jedoch weiterhin nach meinen männlichen Studienkameraden. Außerdem hatte ich sie schon mehrmals bei Pater Karolus vor dessen Wohnhaus, das am Rande des Schulgeländes lag, stehen sehen. Sie hätte mich bei
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