Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
Werte.
Meinen überraschten Mitschülern gaukelte ich dann am Tag des Schulbeginns vor, dies sei seit jeher meine natürliche Haarfarbe, die abgeschnittenen Spitzen seien lediglich von der Sonne ausgebleicht gewesen. Darüber konnten sie nur lachend den Kopf schütteln, wissend, dass sie auf weitere Fragen nur noch groteskere Antworten von mir erhielten.
Gleichwohl erfüllte dieser Haarschnitt seinen Zweck. Statt mit Schleiern und diesen opulenten, windempfindlichen Hüten, konnte ich mich nun mit nur den nötigsten kleinen Kopfbedeckungen überall blicken lassen, und bei meinen abendlichen Ausritten genoss ich es, Luft an den Ohren und im Nacken zu spüren.
F ortan könnte ich mir sogar tagsüber Spazierritte leisten, da mir nun jeder Nachmittag zur freien Verfügung stand. Weshalb? - A h h, daran erinnere ich mich noch heute mit einem Hochgefühl. Auf der für mich unvergessenen Erntedankfeier anno 1555 überreichte mir Gerlinde in unserem festlich geschmückten Klostergarten vor den Augen aller ebenfalls festlich hergerichteten Klosterbewohner mein Diplom zur Heilköchin.
In diesem erhebenden Moment wurde mir der Klostergarten zum leuchtenden Himmelreich, ich gewahrte statt der Körper nur die Auren der Nonnen und Domestiken, die mir alle nacheinander freudig gratulierten. Und als mich Gerlinde leise wissen ließ, nun gehöre ich dem Kreis der weisen Frauen an, vermeinte ich, einen Engel in ihr zu erkennen. Erst gegen Ende jener Feier fühlte ich allmählich wieder festen Boden unter den Füßen, und alles um mich her nahm wieder seine gewohnten Formen und Farben an.
An sich brauchte ich nun mein Arzneistudium nicht mehr fortzusetzen, doch ich beschloss, mir noch das Apothekerdiplom zu erwerben, um einst bei meiner Familie und bei Raimund auch damit aufwarten zu können.
Dennoch, mein eigentliches Berufsziel hatte ich erreicht, ich war H e i l k ö c h i n .
Von meiner Betätigung her war ich alsdann jedoch nichts als Studentin. Fleißige Studentin, möchte ich hervorheben, denn die überwiegende Zeit meiner Nachmittage verbrachte ich jetzt mit Lernen, Lernen und Lernen, um ja zu Beginn des nächsten Sommers die Abschlussprüfungen zu bestehen.
D ann jedoch, der Gilbhartmond ließ bereits die Natur ergrauen, erlitt meine Zukunftsfreude einen Dämpfer. Zu der Äbtissin und meinem Erschrecken traf ohne vorherige Ankündigung wieder eine Abordnung jener Kapuziner bei uns ein, die ein Auge auf unser ertragreiches Kloster geworfen hatten. Es waren drei Mönche, denen ich bereits von weitem nicht nur ihren Soldatendrill, sondern auch Verschlagenheit anmerkte, weshalb ihre frommen Kutten auf mich wie Hohn wirkten.
In den kommenden Tagen inspizierten sie dann frech, da ja von Bischof Christoph Metzler persönlich beauftragt, das gesamte Kloster. Einer inneren Stimme gehorchend, hielt ich mich ihren Blicken fern, indem ich den ganzen Tag in der Schule verbrachte und für die Hin- und Rückwege Geheimpfade benutzte.
Da die Äbtissin in Gefahrensituationen über das zweite Gesicht verfügte, wurde ihr das üble Vorhaben des Bischofs, das sie vergangenes Jahr nur geahnt hatte, nun immer offensichtlicher. Er beabsichtigte, unser Kloster einer Schar kräuter- und laborkundiger Kapuziner zu übertragen, deren Abt ihm dann in Form barer Münze Dank dafür schuldet. Um für diesen Zweck die Schwestern aus dem Kloster zu drängen, wird er versuchen, ihnen nonnenwidriges Verhalten nachzuweisen, was für die Schwestern nicht nur bedeuten könnte, für immer ihr Nonnenhabit ablegen zu müssen, sondern auch exkommuniziert zu werden. Ein nicht gerade christlicher Plan.
Nachdem die Mönche nach einer guten Woche wieder abgereist waren, teilte mir die Äbtissin erregt mit, sie hätten das Kloster regelrecht ausspioniert, genauestens unseren Tagesablauf beobachtet und sich jede einzelne Nonne und Novizin vorstellen lassen. Wie von ihr vorausgesehen, suchten sie hier nach einem Schandfleck, um uns aus dem Kloster verweisen zu können.
Dann funkte ein Blitzgedanke in mir auf - Großzügigkeit gegen Geldgier, das entspricht einer Verhaltensformel, die ich aus einer Hildegardschrift gelernt hatte: ‚Setze einer Negativeigenschaft das positive Gegenteil entgegen, und du wirst obsiegen.’ Deshalb empfahl ich der Äbtissin, an den Vatikan eine ansehnliche Spende zu entrichten.
„Ja“, freute sich die Äbtissin über diesen Vorschlag, „dann hat Bischof Christoph beim Vatikan schwache Karten gegen uns. Tora, deine Eingebungen!“
Die
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