Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
Schwester Angelika, da hatte sich aber eben unchristlicher Spott bei dir eingeschlichen!
W arum können unsere Nonnen nicht in Frieden ihren so vielen Kranken dienenden Aufgaben nachgehen, ging es mir durch den Kopf, nachdem mich Angelika wieder allein gelassen hatte. Erst diese Sakraldiebe und jetzt diese noch gefährlicheren Mönche. - Mönche, im Auftrag eines Bischofs! Das sollte ein unbedarfter Mensch wie ich begreifen. Ich konnte es lediglich zur Kenntnis nehmen.
Wie Angelika richtig erkannt hatte, war es mir in meiner unfreiwilligen Verbannung in der Tat langweilig, auch wenn ich unablässig um die Schwestern und das Kloster zitterte. Ursprünglich wollte ich während der Winterferien meine Gesichtsnarben einer neuerlichen Salbenkur unterziehen, doch ohne den Beistand der Arztschwester Mechthild, die ich damit jetzt nicht behelligen konnte, war mir dieses Unterfangen zu gewagt. Somit war ich auf weitere unbestimmte Zeit nutzlos an meine Stube gebunden, träumte von Raimund, lernte für die Schule und hoffte inständig, die Kapuziner zögen bald unverrichteter Dinge ab.
Aber sie dachten nicht daran. Sie mussten vom Küchenpersonal von dem ‚Besuch’ der ungesitteten Hugenotten erfahren haben und fragten nun permanent die Nonnen nach ihnen aus. Wie Angelika mir mitteilte, auf listige Weise, wie: „Sehr edel, Andersgläubige besonders reich zu bewirten, ist das in diesem Haus Usus?“ Oder: „Hugenotten werden gejagt, sind also schutzbedürftig, habt Ihr deshalb vor dem Tor die Landsknechte aufmarschieren lassen?“
Doch die Nonnen waren auf der Hut, sie vermieden jede Auskunft, die dem Kloster schaden konnte. Wenigstens diesmal hielten sie sich nicht für schwache Frauen, sondern standen endlich wie eine unverrückbare Eins zusammen.
Plötzlich ahnte Angelika erhöhte Gefahr: „Tora, jetzt müssen die Kapuziner doch etwas gefunden haben, in ihren Augen flackert mit einem Mal Triumph.“
Sie hatte offenbar recht, denn bereits tags drauf konnten die Kapuziner nicht eilig genug das Kloster verlassen.
Noch Tage nach dem Abzug der abtrünnigen Mönche waren die Nonnen verstört.
Am deutlichsten Magda, die nicht glauben konnte, dass ich mich all die vier Wochen in meiner Stube aufgehalten hatte: „Ich habe gedacht, du verbringst deine Ferien bei einer nichtsnutzigen Mitschülerin, die dich verdirbt. Der Gedanke hat mich fast umgebracht. Verzeih mir, Tora!“
Weshalb log sie mich an? - Gleich drauf erriet ich es, ihr Argwohn hatte ihr eingeredet, ich verbringe meine Ferien bei Raimund.
„Tora, du musst mir verzeihen, bitte“, jammerte sie wieder und wieder. Fast tat sie mir leid.
Es bedurfte noch mehrerer Tage, bis sich alle Nonnen wieder gefangen hatten, in dem Glauben, einen Sieg davongetragen zu haben. Einzig die Äbtissin, Angelika und ich sorgten uns weiterhin, da wir nur allzu gut wussten, dass noch Ärgeres zu erwarten war. Was aber hatten die Mönche entdeckt?
Allerdings war Angelikas nun vermehrte Aufregung auf einen Entschluss zurückzuführen, den sie schon länger gefasst, wegen der Ankunft der Kapuziner jedoch zurückgestellt hatte - sie wird dem Kloster entsagen. Und mit dem Schleier wird sie gleichfalls ihren Glauben ablegen. Ihre Eltern werden sie bereits am kommenden Sonntag am Klostertor erwarten.
„Hätte mich die ehrwürdige Mutter nicht um meinen Beistand gegen die Mönche gebeten“, verriet sie mir jetzt, „dann hätte ich bereits Weihnachten zu Hause gefeiert. Aber diesen Dienst habe ich euch gerne erwiesen.“
„Ich werde dich vermissen, Schwester Angelika, doch ebenso sehr freue ich mich für dich.“
Das ließ ihr Gesicht aufleuchten: „Du freust dich für mich? Danke, Tora, das bedeutet mir viel. Denn leicht fällt mir dieser Abschied wahrlich nicht, nur du hast miterlebt, welche Seelenkämpfe mich dieser Entschluss gekostet hat. Insofern muss ich den Kapuzinern sogar dankbar sein, ihre Schurkerei hat die letzten Bedenken in mir getilgt.“
„Wirst du zum protestantischen Glauben übertreten?“
„Gott bewahre“, wehrte sie ab, „dort würde mich kaum anderes erwarten.“
Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, wie man sich hier in Schwaben ohne eine christliche Glaubenszugehörigkeit behaupten kann, doch Angelika hatte nach ihren ausgiebigen Grübeleien gewiss eine vernünftige Entscheidung getroffen.
A m Tag des Abschieds, es war ein eisiger Hartungtag, hatten alle Schwestern rote Augen. Zwar sollte eine Nonne einer dem Kloster Entsagenden nicht nachweinen, doch dies
Weitere Kostenlose Bücher