Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
mal etwas völlig anderes. Außerdem haben sie uns gut getan, mein Mann und ich fühlen uns beide ausgeglichener. Deshalb unsere Bitte an dich, würdest du auch unser Lehrmädel in die Kunst des Heilkochens einführen?“
„Aber gerne doch.“
„Schön“, fuhr sie fort, „und heute Nachmittag kommst du in mein Kontor, um deinen Anstellungsvertrag zu unterschreiben. Natürlich steht dir auch ab sofort eine eigene Kammer zu, wir suchen dir dann gemeinsam eine hübsche aus.“
Darauf konnte ich sie nur noch glücklich anstrahlen.
Nachdem sie die Küche verlassen hatte, stieß mir Thekla freundschaftlich gegen den Arm: „Damit ist dir ein großer Wurf gelungen, Tora, ich gratuliere dir! Und ich bin sicher, dass wir künftig ausgezeichnet miteinander zurechtkommen, an mir soll es jedenfalls nicht scheitern, jetzt nicht mehr. Das wollte ich dir gesagt haben.“
Ich war sogar geneigt, ihr zu glauben.
D ie Abendsonne versank hinter dem Gerolsmassiv, eine erhebende Aussicht aus meiner neuen Stube. Die Kammern der acht hier im Haus wohnenden Bediensteten lagen allesamt im Dachgeschoß, mir hingegen hatte die Wirtin im zweiten Stockwerk eine kleine Gästestube zur Verfügung gestellt. Ich hatte zunächst abgelehnt, sie aber hatte mir erklärt: „Kannst du ruhig annehmen, Tora, hier oben wird wenig vermietet, die Gäste scheuen das Treppensteigen.“ Sie gestatte mir auch, meinen Besuch hier herein zu führen: „Diese hübsche junge Frau mit ihrem blonden Normannen“, und ich dürfe mich mit ihnen jederzeit ins Lokal setzen, da ich, im Gegensatz zum übrigen Personal, über feine Manieren verfüge.
Meinen Lohn hatten die Wirtsleute auf zehn Mark zu jedem Mondende festgesetzt. Das war für eine Köchin bei freier Kost und Logis hoch, weshalb sie mich gebeten hatten, bei anderen darüber zu schweigen.
Mehr konnte ich mir nicht wünschen. Nie wieder Wasserschleppen, bei Frost mit nackten Händen die eisige Karre über den gefrorenen Schnee schieben müssen, freute ich mich, und nie wieder von allen nach Lust und Laune geohrfeigt werden. All dies hatte ich hinter mir, hatte ich, ich selbst, besiegt. Und ich kann mir zum Winter hin Mütze, Schal und Handschuhe kaufen.
Während ich nun meine wenigen Kleidungsstücke in den Wandkasten räumte, nahm ich mir vor, Thekla stets zu beweisen, wie sehr ich sie als Meisterin respektierte, das war für die hiesigen Köchinnen ein unbedingtes Gebot. Wäre Thekla nicht eine so hervorragende Küchenmeisterin, hätte unsere geschäftstüchtige Wirtin sie längst entlassen, denn keiner konnte übersehen, welcher Hass gegen Thekla in ihr schwelte. Wie ich von Alma erfahren hatte, war Frau Schramm nicht entgangen, dass ihr Mann sie bis vor wenigen Jahren mit der seinerzeit noch sehr ansehnlichen, aber ebenfalls verheirateten Thekla betrogen hatte, und er sie erst hatte fallen lassen, als ihre Figur aus den Fugen geraten war. Danach sollte sich Herrn Schramms Augenmerk auf Jungfern gerichtet haben. Für mich unverständlich, er musste bereits fünfzig sein, und seine Gattin war mit ihrem etwas südländischen Aussehen eine aparte Erscheinung. Doch in den letzten Wochen hatte er sich gottlob mehr und mehr von uns Mägden zurückgehalten, wozu letztendlich auch die von mir zubereitete Heilkost ihren Beitrag geleistet hatte. Nach seiner Zudringlichkeit im Stall hatte er mich zunächst bei jeder Begegnung ängstlich forschend angeblickt, um zu erfahren, ob ich über diese Angelegenheit geschwiegen habe. Es hatte mich gereizt, ihn im Unklaren zu lassen. Nach einiger Zeit musste er jedoch erkannt haben, dass er sich auf mein Schweigen verlassen konnte, und als ich schließlich seine neuerlichen Aufdringlichkeiten im Hof mit meiner herausgekehrten Keuschheit erstickt hatte, war er mir gegenüber zunehmend scheuer geworden, schon verlegen. Und so begegnete er mir noch heute, er wagte kaum mehr, mir in die Augen zu blicken, was mir besonders gestern, beim Verfertigen meines neuen Anstellungsvertrags, aufgefallen war.
Kapitel 10
Ab 1557 - Neue Situationen
Bock, Hieronymus
Tragus, 1552
„A ber wir stecken mitten in der Saison.“
„Nur Mut, Tora.“
„Meisterin . .“
„Du sollst mich doch jetzt mit Thekla ansprechen.“
„Gut, also Thekla. Begreif doch, Thekla, ihr Harzer kocht anders als wir Schwaben, denkst du, ich kann mich über Nacht darauf umstellen?“
„Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Und solltest du mal unsicher sein, dann frage einfach eine von uns, wir geben dir
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