Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
Verwandte habe, wollte sie wissen, wo meine Eltern doch Schwaben seien. Nicht meine verstorbene Mutter, schwindelte ich, sie habe aus der Hildesheimer Gegend gestammt, und es sei ihr Bruder, der uns Mitte des Erntingmonds nun ebenfalls für immer verlassen habe. Das Ehepaar Hansen habe mir die Todesnachricht überbracht. „Das Ehepaar Hansen?“, wunderte sie sich, „ja, sind die denn verwandt mit dir?“
Wieder musste ich lügen: „Ja, sind sie, weshalb auch sie dorthin bestellt worden sind.“
Nun wollte der Wirt erfahren, ob ein größeres Vermögen verteilt wird, worauf ich behauptete, es handle sich um familiäre, also persönliche Wertgegenstände, die mir einiges bedeuteten. Damit hatte ich die Wirtin, Gott weiß warum, brüskiert, denn sie schnarrte mich an: „Jedenfalls kann ich dir keine drei Wochen freigeben, da würde ja bald jeder mit einem derartigen Anliegen hier vorsprechen. Eine Woche und keinen Tag mehr.“
„Nein, danke“, lehnte ich ebenso trotzig wie wütend ab, wobei ich mich erhob. „Ihr wisst, dass eine Woche nicht mal für die Hin- und Rückfahrt reichte.“
Ich trat zur Tür, doch der Wirt holte mich mit flinken Schritten ein, stellte sich mir mit seiner wuchtigen Gestalt in den Weg und beschwor mich zu meinem Erstaunen: „Nun sei doch nicht beleidigt, Tora, sie hat das nicht so gemeint. Natürlich wirst du fahren, und wenn du drei Wochen für diese Angelegenheit benötigst, dann bleibst du eben drei Wochen fort.“
„Danke, Herr Schramm“, war ich erleichtert, wandte mich dann nach ihr um und erkundigte mich höflich: „Ist Euch das ebenfalls genehm, Frau Schramm?“
„ . . Ja doch“, rang sie sich diese Zusage ab.
Ich konnte kaum glauben, dass ausgerechnet er mir beigestanden hatte.
N achdem ich Thekla anschließend von diesem unangenehmen Gespräch berichtet hatte, äußerte sie nur: „Da hast du jetzt mal das andere Gesicht der Frau Schramm kennen gelernt - arrogant und kalt.“
„Ja“, bestätigte ich ihr fast tonlos.
Im Nu hatten dann alle Angestellten des Hauses Schramm von meiner vermeintlichen Erbschaft erfahren, und nun waren sie an der Reihe, mich danach auszufragen. Was mir mein reicher Onkel denn hinterlassen habe, wollte eine jede und ein jeder von mir erfahren, worauf ich stets zurückgab, dass ich das schließlich selbst nicht wissen könne. Aber wenn ich dazu bis hinauf nach Hildesheim reisen müsse, meinten sie - wenngleich keiner eine Ahnung hatte, wo diese Stadt lag - dann handle es sich gewiss um eine stattliche Summe. Im Laufe der Tage wuchs diese Summe zu einem Vermögen heran, und Hildesheim rückte immer höher in den Norden, es fehlte nicht viel, und sie hätten es bei den Eisbären vermutet.
Kapitel 11
Ab Herbst 1558 - Ereignisreiche Reisen
Fuchs, Leonhard
New Kreuterbuch, 1543
U nter noch immer verwöhnender Scheidingsonne hatten Marlis, Jörg und ich die Reise angetreten. Wir waren nervös, alle drei - werden Marlis und Jörg als Adelige überzeugen? Was erwartet uns in jenem Kloster, wird mir der Abt meine Mitgift aushändigen? Und mich bedrängte zudem meine persönliche Frage - werde ich etwas über meine Familie erfahren?
Als wir am vierten Tag zur Übernachtung in einen Dorfgasthof einkehrten, kündete Jörg uns an, wir würden bereits morgen gegen Abend in Hildesheim eintreffen. „Dann legen wir gleich morgen Früh die Adelskleidung an“, schlug die praktische Marlis vor, worauf ich ergänzte:
„Und benehmen uns entsprechend, wozu auch gehört, dass wir unsere Karosse hier unterstellen und fortan Droschken benutzen.“
D er Gasthof zur Krone, im Zentrum Hildesheims, war das erste Haus am Ort, weshalb wir genau dort abstiegen.
Nachdem die Hotelpagen das Gepäck in unsere Suiten getragen und wir uns etwas erfrischt hatten, begaben wir uns in den eleganten, von Kerzenlichtern erleuchteten Speisesaal, wo uns der Oberkellner an den für uns bereits mit allerlei Delikatessen gedeckten Abendbrottisch führte. Wir nahmen Platz. Und als wir zu speisen begannen, fühlte ich förmlich die Erregung der beiden - jetzt mussten sie überzeugen. Marlis legte ihrem Gemahl, wie ich es ihr beigebracht hatte, stets aufmerksam einige Häppchen nach, und nach einiger Zeit fragte sie mich leise, ob ich mit ihrem Benehmen zufrieden sei.
„Ja“, bestätigte ich ihr, „aber wenn du weniger zappeln würdest, wirktest du noch glaubhafter.“
„Ich bin doch so aufgeregt.“
„Lass es dir nicht anmerken. Und jetzt sprich wieder mit normaler
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