Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
Empfangsbestätigung zur Aufbewahrung überlassen. Dazu hätte ich einen jüdischen Advokaten gewählt, da ich in diesem Fall nur zu einem Glaubensgenossen Vertrauen hätte aufbringen können.“
Er legte eine Pause ein, die Jörg nutzte, um zu erforschen: „So hättet Ihr das gehandhabt, und sicher hättet Ihr in Hildesheim auch einen solchen Advokaten gefunden.“
„Oh, ja“, ging Bruder Markus darauf ein, „den besten sogar, Herrn . . , Herrn Ulmer . . “
Seine Stimme war am Ende in Flüstern übergegangen, wohl gebremst von seinem Gewissen. Deshalb tat ich, als habe ich nicht zugehört, und Jörg, ganz Diplomat, ließ ihn mit einer kurzen Verneigung wissen: „Leider müssen wir uns für heute verabschieden, Bruder Markus, denn wir müssen dringend in Hildesheim einen Advokaten aufsuchen.“
Darauf begleitete uns der nette alte Mönch, in sich hineinschmunzelnd, durch die Pforte bis auf die Straße und wünschte uns Gottes Segen.
„Jau!“, konnte Jörg dann einen Jubelruf nicht unterdrücken, und ich sagte ihm:
„Deshalb hat der Abt ständig zu meinem Empfehlungsschreiben geschielt, er hat befürchtet, es seit die Auflistung meiner Mitgift.“
„Genau. - Ulmer heißt dieser Advokat, oder?“
„Habe ich auch so verstanden.“
„Den machen wir jetzt ausfindig.“
E s dunkelte bereits, als Herr Ulmer Jörg und mich in seiner Kanzlei empfing. Herr Ulmer trug zwar keine Judentracht, auch ähnelte er mit seiner zierlichen Statur und dem blonden Haar Herrn Rubinez absolut nicht, und dennoch erinnerte er mich an ihn. Sie hatten die gleiche lebendige Sprechweise, selbst den gleichen Tonfall, und auch Herrn Ulmers Hände befanden sich beim Reden in steter Bewegung. „Ist das schön, verehrtes Fräulein, dass Ihr endlich aufgetaucht seid“, freute er sich wiederholt. Ein liebenswürdiger und, wie mir schien, auch kluger Mann. Auf seinem Pult lag in einem versiegelten Umschlag die für uns so wertvolle Auflistung meiner Mitgift samt aller Quittungen. Das Siegel durfte er allerdings nur im Beisein des Abtes und mir brechen, was in drei Tagen, während derer er sich über den Abt umhören will, geschehen soll.
„Wir werden unmittelbar nach dem Mittagsmahl dort eintreffen“, legte Herr Ulmer fest, „um diese Zeit rechnet er am wenigsten mit uns. Dann überlasst getrost alles mir, Fräulein von Tornheim, mit perfiden Menschen messe ich mich nicht zum ersten Mal.“
Nachdem wir seine Kanzlei verlassen hatten, fragte mich Jörg unsicher: „Glaubst du wirklich, dieser kleine hampelige Mann hat eine Chance gegen den ausgekochten Abt?“
„Glauben oder nicht, wir können es nur hoffen.“
W ieder harrte ich auf der Wartebank des düsteren Klosterflurs, diesmal unangemeldet und auch nicht mit Jörg, sondern mit Herrn Ulmer an der Seite. Wir waren angespannt, jedoch gefasst.
Jetzt wurden vom Treppenhaus her stramme Schritte zweier Personen vernehmbar. Sie gelangten auf unseren Flur. Der Abt und ein Bruder. In dem hier herrschenden Dämmerlicht konnten sie uns nicht gleich erkennen, und als sie uns fast erreicht hatten, war für sie ein Ausweichen zu spät. Herr Ulmer erhob sich mit höflichem Gruß, dem er hinzufügte: „Keine Angst, meine Herren, unsere Angelegenheit bedarf nur wenig Zeit.“ Dann sprach er den Scharfäugigen direkt an: „Ihr kennt Fräulein von Tornheim, wisst also, worum es sich handelt. Lasst jetzt ihre Mitgift samt dem Schul- und Unterhaltgeldes holen.“
„Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.“
Darauf Herr Ulmer: „Wollen wir tatsächlich auf dem Flur verhandeln, wo so mancher hören kann, was ich Euch zu sagen habe?“
„Schlitzohr“, zischelte darauf der Abt und ließ uns notgedrungen in seinen Empfangsraum treten.
Während wir um den Tisch auf den braunen Polsterstühlen Platz nahmen, faselte Herr Ulmer gut verständlich vor sich hin: „Ich frage mich, ob die Mitgift noch vollzählig ist.“ Sodann breitete er gut sichtbar die Empfangsbescheinigung auf dem Tisch aus und forderte den Abt zum zweiten Mal auf, alles auf diesem Dokument Aufgeführte herholen zu lassen.
Der weigerte sich abermals, weshalb Herr Ulmer deutlicher wurde: „Da muss ich jetzt aber doch annehmen, dass die Mitgift nicht mehr vollzählig ist. Trägt etwa die berückende Frau von Ameling ein gülden Armband oder Kettchen aus diesem Schatz?“
Die Zornadern des Abtes an Stirn und Schläfen traten noch dicker hervor, vielleicht forderte Herr Ulmer deshalb jetzt nicht von ihm, sondern von dem bei uns sitzenden
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