Die Hexenmeister
gut. Es ist vorbei. Auch Maria ist nicht unsterblich. Wenn sie beim nächstenmal auf den Hexenmeister trifft, wird sie sterben. Und dem möchte ich zuvorkommen und dich dabei um Mithilfe bitten. Das ist das Problem.«
»Woher weißt du das?«
»Von meinem Vater.«
»Dann kennt er sich besser aus?«
Testi leerte sein Glas. Er verzog das Gesicht und hob die Schultern.
»Natürlich kennt er sich besser aus als ich, viel besser sogar. Er weiß es von Maria. Sie ist ihm erschienen, sie hat ihm erklärt, daß sie ihr Versprechen nicht mehr richtig einlösen kann. Es geht um kurze Zeiten, wenn ich das so sagen darf. Sie ist wie auf dem Sprung. Das nächste Zusammentreffen würde sie nicht mehr überleben. Da ist ihr Schutzpanzer durchbrochen worden. Diesmal wird der Hexenmeister stärker sein, wieder stärker sein, aber endgültig.«
Ich schwieg, und zwar so lange, bis Testi nervös wurde und mich fragte, ob ich ihm überhaupt zugehört hatte.
»Natürlich.«
»Schön. Glaubst du mir auch?«
»Das ist nicht einfach. Aber die Szene in der Tiefgarage hat mich natürlich überzeugt. Jetzt soll ich dir helfen, diesen Valentin zu finden und ihn aus dem Weg zu schaffen.«
»Bevor er Maria findet.«
»So ist es.«
Mein Lächeln fiel etwas gequält aus. »Einfacher ging es nicht – oder?«
»Was ist schon simpel?«
Ich hatte keine Lust, darüber zu philosophieren, sondern versuchte es mit konkreten Fragen. Mir war auch klar, daß ich aus dieser Zange nicht mehr herauskam. »Dann verrate mir doch mal, wo wir ihn und sie suchen müssen? Wo fangen wir an?«
»Nicht hier. Italien, meine Heimat, aber nicht dort, wo ich herkomme, sondern in einem Kloster. Es liegt auch in Sizilien. Es ist das Kloster, in dem Maria einmal gewesen ist.«
»Warum verließ sie es. Sie ist noch jung.«
»Sie starb!«
Ich schaute Testi an, als hielte ich ihn für verrückt. »Sie… Sie starb?« hauchte ich.
»Si.«
»Und trotzdem gibt es sie.«
»Sowohl als auch«, sagte er. »Als Geist und Körper, nehme ich an.«
Dann schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. Andere Gäste drehten sich um. »Wir müssen es akzeptieren, John«, sagte er mit wesentlich leiserer Stimme, »daß sie in verschiedenen Gestalten oder Zuständen auftritt und von einem Hexenmeister namens Valentin gejagt wird.«
»Ja, das habe ich verstanden, aber nicht begriffen. Kommen wir mal auf den Namen Valentin zurück. Hast du dir über ihn schon einmal Gedanken gemacht?«
»Nein, warum?«
»Du weißt also nicht, was er bedeutet?«
»Es ist ein Vorname.«
»Da gebe ich dir recht. In Mitteleuropa gibt es den Begriff des Bruder Valentin. Und das bedeutet soviel wie der Tod. In manchen österreichischen Liedern wird er so genannt. Der Bruder Valentin, der Tod eben.«
Testi schaute mich an. »Tatsache?«
»Ich habe keinen Grund, dich zu belügen. Zudem gehe ich davon aus, daß alles stimmt, was du mir erzählt hast. Wenn wir Valentin mit dem Tod gleichsetzen, dann ist es Maria gelungen, ihn zu überwinden. Dann hat sie es geschafft, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, und er will das nicht hinnehmen. Deshalb jagt Valentin oder der Hexenmeister die ehemalige Nonne. So sehe ich das Motiv.«
Das Gesicht meines italienischen Kollegen war starr geworden. Er konnte kaum fassen, was ich ihm da gesagt hatte. Schließlich nickte er.
»Das ist ein Hammer gewesen, John, ein richtiger Hammer. Aus diesem Blickwinkel habe ich den Fall noch nicht gesehen. Ging ja auch nicht, weil du mich erst über diesen Valentin aufgeklärt hast. Dann ist Maria also der Tod auf den Fersen.«
»Genau. Um sie endgültig zu sich zu holen.«
Er schluckte, bestellte noch einen Grappa, der sehr schnell gebracht wurde. Dann sprach er weiter. »Das macht die Aufgabe nicht lösbarer. Wir müßten uns also mit dem Tod herumschlagen, wenn ich dich recht verstanden habe, John.«
»So ungefähr.«
»Aber können wir da gewinnen? Ist der Tod nicht etwas Endgültiges, was unsere körperliche Anwesenheit hier auf Erden angeht? Wir können es doch eigentlich nicht schaffen, ihn zu besiegen. Das ist für mich unmöglich. Er wird uns alle holen.«
»Sollte man meinen.«
»Dann kann ich gleich fahren.«
»So einfach ist das nicht, Romano. Dieser Valentin muß nicht unbedingt der Tod sein, der das Ende bedeutet. Dahinter kann sich ein Dämon verbergen, der nur seinen Namen angenommen hat. Ich denke, daß es da zahlreiche Möglichkeiten gibt.«
»Konkret kannst du nicht werden?«
»Nein. Ich weiß
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