Die Himmelsbraut
Weg?», fragte Peter, bevor er an der Glocke zog.
«Nein», gab Antonia barsch zurück. Noch bevor sich das Tor ganz geöffnet hatte, schlüpfte sie hinein, nahm den Weg hinüber zur Kirche fast im Laufschritt, stürzte die Treppe hinauf zum Nonnenchor, wo sie sich vor dem Altar zu Boden warf und betete.
30 Liebfrauenwalde, Frühsommer 1524
I hr Gebet im Nonnenchor hatte Antonia keine Erleichterung verschafft, im Gegenteil: Noch in derselben Nacht hatte sie erstmals seit Ewigkeiten wieder von Phillip geträumt. Wie so oft in ihrer Kindheit waren sie durch die Gegend gestromert und hatten sich schließlich vor ihrem Steinbruch in die Sonne gelegt, ins weiche, warme Gras. Phillip wirkte älter und reifer als in ihrer Erinnerung und lag mit geschlossenen Augen neben ihr. Er war barfuß, trug nur ein leichtes Hemd über den Beinkleidern, das über der Brust halb offen war. Da hatte sie sich über ihn gebeugt, die helle, glatte Haut an Hals und Brust berührt, sein Gesicht gestreichelt und ihn am Ende geküsst. Wie eine Ertrinkende hatte sie sich dabei an ihn geklammert, hatte die Hitze seines Atems gespürt, seine Lippen und seine Zunge geschmeckt – und war genau in diesem Augenblick erwacht, nass geschwitzt in ihrem zerwühlten Bett.
An diesem Morgen erschien Pfarrer Bonifaz, in seinem Hauptamt Leutpriester von Kaltenmatt, bei ihnen im Kloster, um die Frühmesse abzuhalten, und Antonia bat ihn, ihr die Beichte abzunehmen. Das letzte Mal, dass sie zusammen mit den anderen Nonnen gebeichtet hatte, war bei der heiligen Messe anlässlich ihrer Ankunft in Liebfrauenwalde gewesen. Aber einen wirklichen Grund zur Beichte hatte es schon lange nicht mehr gegeben, und auch unter den übrigen Frauen schien niemand das Bedürfnis zu haben, sich von seinen Sünden zu erleichtern. Dabei wäre Antonia Etliches eingefallen, was zumindest die Frauen aus dem Novizenhaus hätten bekennen können. Doch das mussten sie selbst wissen.
Sie begegnete dem Priester, einem noch recht jungen Mann mit dichtem dunklem Haar und blassem Gesicht, kurz nach dem Morgenlob im Kreuzgang. Auch das wäre in Marienau nicht vorgekommen. Nur in Ausnahmefällen betraten dort Geistliche das Klausurgebäude. Hier indessen gingen sowohl der Pfarrer und sein Kaplan als auch andere Weltgeistliche und Mönche aus und ein, wie es ihnen beliebte.
Als Antonia ihm ihre Bitte vortrug, nickte er freundlich.
«Willst du mich dann in deine Zelle führen, meine liebe Tochter?»
Antonia sah ihn entgeistert an. «In meine Zelle?»
«Ach – ich vergaß: Du bist neu hier. Schwester Antonia aus Marienau, nicht wahr?»
«Ja, Hochwürden.»
«Nun, hier in Liebfrauenwalde hat es sich eingebürgert, dass die Schwestern ihren Beichtiger zu sich bitten. Wenn sie sich kränklich fühlen oder unpässlich», beeilte er sich hinzuzufügen.
«Ich fühle mich kerngesund.»
Für einen Moment wurde sein Blick unsicher. «Aber sicher, Schwester Antonia. Dann folge mir in den Chor.»
Kurz darauf kniete sie vor der kleinen Öffnung in der Holzwand der Nonnenempore nieder. Sie hörte, wie der Priester auf der anderen Seite der Wand auf seinem Stuhl Platz nahm, und ihr Herz begann zu rasen. Sie hatte noch niemals in ihrem Leben unkeusche Gedanken gebeichtet, nicht einmal nach dem Vorfall im Weingarten. Einem Mann gegenüber schien ihr das fast unmöglich.
Sie machte das Kreuzzeichen und sprach mit belegter Stimme in Richtung Gitter: «Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.»
«Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und Seiner Barmherzigkeit», kam es von der anderen Seite zurück.
«Amen.»
«Nun denn, so sprich von deiner Schuld.»
Sie schluckte. «Ich habe unkeusche Gedanken gehabt, Hochwürden.»
«Welcher Art?»
«Ich habe einen jungen Mann betrachtet und …» Sie stockte. «Und ihn schön gefunden.»
«Was hat dir gefallen? Sein Körper?»
«Ja. Das heißt – eigentlich nein.» Sie war vollkommen durcheinander.
«Rede lauter, mein Kind. Ich verstehe dich nicht.»
«In Gedanken habe ich ihn berührt.»
«Welchen Teil seines Körpers?»
«Seine Hände …» So genau konnte sie sich gar nicht mehr erinnern. «Sein Gesicht …» War das nicht vielmehr Pirmin, ihr Reisebegleiter, gewesen? «Ich habe mir vorgestellt, mit ihm zusammen auf einem Pferd zu reiten.»
Der Pfarrer auf der anderen Seite der Wand schnaufte hörbar auf.
«Gemeinsam auf einem Pferd?»
«Ja, Hochwürden.»
«Bekleidet oder
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