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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Tag, der mit einem wolkenlos blauen Himmel aufwartete, wurde es nicht richtig warm, und Antonia konnte sich jetzt schon vorstellen, wie schneereich und eisig der Winter sein würde.
    Die Gesindemeisterin hatte ihr ein Reitpferd angeboten, da Kaltenmatt gut zwei Wegstunden entfernt liege. Doch Antonia hatte abgelehnt. Eine Nonne hatte ihrer Meinung nach zu Fuß zu gehen, und so stapfte sie jetzt in zügigem Schritt neben dem Packpferd und dem Knecht her, einem barfüßigen Burschen, der in etwa in ihrem Alter war. Er hatte sich als Peter vorgestellt, ein frischer Bursche mit kurzem karottenrotem Haar und sommersprossigem Gesicht. Wenn er lächelte, hatte er lustige Grübchen in den Wangen, und seine hellen Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
    Unterwegs begegnete ihnen kaum eine Menschenseele, und sosehr sie den Weg durch die Wiesen und Felder genoss, war es ihr doch etwas unheimlich, ganz allein mit diesem jungen Pferdeknecht durch die Lande zu ziehen. Sie hatte sich vorgenommen, die ganze Zeit über zu schweigen. Das fiel ihr freilich zunehmend schwer, da Peter seinerseits äußerst redselig war und sie immer wieder auf Besonderheiten in der Landschaft hinwies: auf einen ausgehöhlten Baumstamm, in dem ein Waldkauz nistete, auf einen balzenden Auerhahn, auf einen Wanderfalken, der dicht über ihnen seine Kreise zog.
    «Wie heißt Ihr eigentlich?», fragte er, nachdem sie das erste Dorf umrundet hatten, eine Ansammlung von Holzhäusern hinter einem windschiefen Lattenzaun.
    «Antonia – Schwester Antonia.» Ihre eigene Stimme klang ihr plötzlich fremd.
    «Das ist ein schöner Name. Meine Großmutter hieß so. Habt Ihr den Namen im Kloster angenommen?»
    Antonia schüttelte den Kopf.
    Hinter dem Dorf ging es ein Stück weit steil bergauf, und Peter war vollauf damit beschäftigt, das störrische Packpferd den steinigen Pfad hinaufzutreiben. Oben auf der Bergkuppe ließ er dann den Strick des Pferdes los und hockte sich ins Gras.
    «Hier machen wir eine Pause», bestimmte er. «Die Hälfte des Weges haben wir geschafft. Außerdem habt Ihr von hier einen schönen Blick übers Land.»
    Nachdem sie sich in gehörigem Abstand neben ihn gesetzt hatte, reichte er ihr seine Wasserflasche. Dankbar nahm Antonia einen tiefen Schluck.
    «Die vier Dörfer, die man von hier sehen kann, gehören alle zu Liebfrauenwalde. Kaltenmatt, wo wir hinwollen, liegt auf der andern Seite des Berges.» Er streckte seine Beine aus, die in einer halblangen, mehrfach geflickten Hose steckten, und blinzelte gegen die Sonne. «Früher war die Herrschaft viel, viel größer. Bis rüber auf die Baar reichte sie, und in Bonndorf hatte Liebfrauenwalde einen großen Pfleghof. Aber das war lang vor meiner Zeit. Jetzt sind die alten Güter fast alle verpfändet oder ganz verloren.»
    Sie betrachtete die ärmlichen Dörfer und Höfe, über die Liebfrauenwalde Herrenrechte ausübte, und ahnte, dass von den untertänigen Bauern nicht viel an Zehnt und Zins geleistet werden konnte. Dabei bemerkte sie, wie Peter sie beobachtete.
    «Ihr seid die erste Nonne, mit der ich unterwegs bin, die tatsächlich nicht spricht», sagte er schließlich.
    «Seit wann lebst du im Kloster?», fragte sie unvermittelt.
    «Ich bin da geboren, genau wie mein kleiner Bruder Franz, der Hütejunge. Ihr kennt ihn vielleicht.» Er riss einen Grashalm aus und zerrieb ihn zwischen den Fingern. Er hatte schöne, starke Hände.
    «Mein Vater», fuhr er fort, «kam als Kind mit seinen Eltern und seinen Geschwistern nach Liebfrauenwalde. Sie hatten einen Einödhof nicht weit von hier besessen. Den hatte das Kloster eingezogen, um ihn zu bewirtschaften. Dafür gab’s dann für unsere Familie Schutz und Auskommen bis in den Tod.»
    In Antonia regte sich Zorn. Wie konnte man den Bauern einfach Hof und Grund wegnehmen? Noch dazu im Namen Gottes?
    «Ihr seht plötzlich ärgerlich aus.» Peter blickte ihr ohne Scheu ins Gesicht. «Hab ich was Falsches gesagt?»
    «Nein.» Sie wandte sich ab.
    «Ich wollte mich nicht beklagen, wenn Ihr das meint. Mir ergeht’s immer noch besser als denen da unten, die zu Ostern und Michaelis ihre Abgaben nicht leisten können.»
    «Auch wir haben hohe Abgaben zu leisten. An den Bischof zu Konstanz nämlich.» Ihr fiel unangenehm auf, dass sie in der Wirform gesprochen hatte. «Ach was, lass gut sein. Gehen wir weiter.»
    Er half ihr auf die Beine, und sie genoss für einen winzigen Augenblick die Wärme seiner Hand.
    Keine Wegstunde später näherten sie sich

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