Die Himmelsbraut
Eurer Ankunft.»
«Aber – wie kann das sein? Das widerspricht doch jeder Regel.»
«Das seht
Ihr
so. Unser Bischof hat vor einigen Jahren verfügt, dass wenigstens eine gewisse Zahl an Nonnen täglich gemeinsam speist. Und daran wird sich gehalten, wie Ihr seht. – Ihr könnt nicht einfach von weit her kommen und denken, hier alles umkrempeln zu können. Da hat sich schon manch eine die Zähne dran ausgebissen, glaubt mir.»
«Trotzdem. Das darf nicht sein. Gibt es etwa zweierlei Arten von Nonnen?» Antonia schüttelte ungehalten den Kopf. «Ihr anderen – was meint ihr?»
Euphemia, die ehemalige Sakristanin von Liebfrauenwalde, zuckte verzagt die Schultern, die anderen schwiegen. Nur Magdalena erwiderte leise: «Es ist nicht recht. Dafür schließe ich diese Mitschwestern täglich in meine Gebete ein, und das solltet ihr anderen auch tun.»
Entschlossen wandte sich Antonia an ihre Nebensitzerin: «Elisabeth, du bist die Älteste von uns und hast ein hohes Amt inne. Wärst du bereit, die Angelegenheit morgen in der Kapitelversammlung vorzubringen?»
Die Kellermeisterin schien alles andere als begeistert. «Das kann ich wohl tun, aber es wird nichts nützen. Hätte unsere Mutter Camilla etwas gegen diese Gepflogenheiten, dann hätte sie sie längst unterbunden. Also ist sie einverstanden, und uns bleibt nichts, als uns zu fügen. Schließlich haben wir ihr Gehorsam geschworen.»
Elisabeth sollte recht behalten. Am nächsten Morgen im Kapitelsaal mussten sie sich von Camilla von Grüningen anhören, dass es sehr wohl Gründe gebe für die getrennten Mahlzeiten – Gründe, die sie nicht Willens sei, jedem auf die Nase zu binden. Im Übrigen sei diese Sache von zu geringer Bedeutung, um hierüber gemeinsam zu entscheiden.
Hatte anfangs ein unübersehbarer Graben zwischen den neuen und den alteingesessenen Klosterfrauen bestanden, so verlief jetzt der Riss zwischen denen, die die Gemeinschaftsregeln der Cistercienser befolgten, und jenen, die sich ihre eigenen Regeln schufen. Letztere waren genau die Frauen, die von Haus aus ein beträchtliches Vermögen in den Konvent verbracht hatten. Die auch hinter Klostermauern nicht auf breite, bequeme Betten mit bunten Kissen und Vorhängen verzichten wollten, auf wohlschmeckende Speisen, auf Gewänder aus kostbaren Stoffen. Selbstredend hatte es auch in Marienau Töchter aus reichem Hause gegeben, doch getreu ihrem Armutsgelübde hatten sie all ihre persönliche Habe der Abtei und damit der Gemeinschaft übergeben. Hier indessen behielten sich die Klosterfrauen eine lebenslange Nutznießung ihrer Gelder und Einkünfte vor und machten sogar eigenhändig Geschäfte damit. Und all das offen und ungehindert vor den Augen der Priorin!
Als erste der Marienauer Nonnen wurde schon bald Elisabeth abtrünnig, die wie Camilla von Grüningen hochadliger Abstammung war. Am Sonntag auf Johannis Baptista bezog sie eine geräumige Stube im Gästehaus, wo sie von nun an Mutter Camilla beim Essen Gesellschaft leistete. Und wo nicht selten auch Gäste von außerhalb zu Besuch waren, deren Stimmen aus den geöffneten Fenstern über den Klosterhof hallten.
So auch jetzt, an diesem trüben Frühsommervormittag. Bis zum Friedhof hinter der Kirche waren sie zu hören, und es waren eindeutig Männerstimmen darunter.
«Dieses Kloster steht unter keinem guten Stern», seufzte Euphemia und richtete ihren krummen Rücken auf. Sie war gerade dabei, ihrer Aufgabe als Sakristeigehilfin nachzukommen und die Gräber von Unkraut zu befreien. «Manchmal frage ich mich, wie lange unser Herrgott noch seinen Blick von uns abwenden will.»
Dass Euphemia sich hier, an geweihter Stätte, nicht an das Schweigegebot hielt, verwunderte Antonia nicht sonderlich. Mittlerweile wunderte sie gar nichts mehr.
«Mit Mutter Camilla hat der Herrgott euch jedenfalls die Falsche gesandt», konnte sich sie nicht verkneifen zu erwidern.
Verschreckt blickte die alte Nonne sich um. «Halt ein – hier haben die Mauern und Wände Ohren. Was suchst du eigentlich auf dem Friedhof?»
Antonia senkte die Stimme.
«Es geht um die Bücher, die uns der Papiermacher hat zurückbringen lassen. Eines davon enthält das Inventar der Kirchenausstattung, und der Meister hat mich darauf hingewiesen, dass etliche Seiten sauber herausgetrennt waren. Du kannst mir sicher weiterhelfen, was das zu bedeuten hat. Wo du doch bis vor kurzem …», sie zögerte, da sie wusste, dass sie damit einen wunden Punkt berührte, «… wo du doch
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