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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ihn aber letztlich daran hinderte heimzukehren, mochte er sich kaum eingestehen: Noch immer scheute er vor einer Aussprache mit dem Vater zurück. Vor allem aber würde er nie im Leben den Mut finden, ihm seinen schrecklichen Verdacht zu offenbaren. Den Verdacht, dass jene blutrünstigen Meuchelmörder damals keine fremden Wegelagerer waren.

32 Liebfrauenwalde, Spätsommer 1524
    I m Laufe ihrer Jahre als Nonne hatte Antonia gelernt, dass sich Religiosität in vielerlei Erscheinungsformen äußern konnte: in inbrünstigem Gebet, in frommem Schlendrian, in Höllenangst und Heilserwartung. Hier in Liebfrauenwalde kam etwas Neues hinzu, und das war die Scheinheiligkeit. Das geistliche Habit der Frauen um Mutter Camilla und ihrer Stellvertreterin wirkte mittlerweile auf sie wie blanker Hohn, gab man sich doch unverhohlen weltlichen Vergnügungen hin, feierte und soff nach Herzenslust mit auswärtigen Gästen, ausstaffiert wie Edelfräulein, und bereicherte sich dabei am Gut der Gemeinschaft. Dagegen waren die Gottesdienste im Handumdrehen erledigt, Kommunion und Beichte wurden ebenso vernachlässigt wie die Fastengebote.
    Die Priorin hatte sich inzwischen drei kläffende Köter zugelegt von der edlen Rasse des italienischen Windspiels, die sie mit Braten, Milch und weißem Brot ernährte und die bei ihr in ihrem hellblauen Himmelbett nächtigten. Ihnen schenkte sie ihre ganze Liebe, während sie sich gegenüber den Mägden und Knechten immer launenhafter gebärdete. Gleich einer Gräfin flanierte sie mit ihren Hunden durch die Klosteranlage und die Gärten, anfangs noch begleitet von der jungen Magd Marthe, bald schon von ebenjener Jungfer, die Antonia bereits einmal in ihrem Speiseraum zu Gesicht bekommen hatte.
    Sie hieß Justina von Grüningen, eine Großnichte aus Mutter Camillas weitläufiger Verwandtschaft, und sie wurde zur ersten Novizin von Liebfrauenwalde seit etlichen Jahren. Das Amt der Novizen- und Schulmeisterin übernahm die Priorin selbst, wobei nicht nur der Unterricht in ihrem Hause stattfand, sondern das Mädchen auch in ihrer Wohnung lebte. Keine Woche nach Justinas Ankunft gab es einen lautstarken Streit im Priorat, der bis ins Klausurgebäude zu hören war. Danach hatte eine in Tränen aufgelöste Marthe, ihr Bündel über der Schulter, sich von Mechthild das Klostertor öffnen lassen und ward fortan nicht mehr gesehen. Bei der Kapitelversammlung am nächsten Morgen hatte die Priorin ihnen mitgeteilt, dass sie sich von ihrer Dienerin leider habe trennen müssen.
    «Böse Gedanken haben sich in ihr Herz geschlichen, in Stolz und Überheblichkeit hat sie mir Widerworte gewagt.
Schafft den Übeltäter weg aus eurer Mitte
, sagt uns der heilige Benedikt,
denn ein räudiges Schaf soll nicht die ganze Herde anstecken.
»
    Die Subpriorin nickte zustimmend. «So lasst uns denn für die verirrte Seele Marthes beten.»
    Bevor sie auseinandergingen, erfuhren sie noch, dass von nun an Laienschwester Ursel der Priorin zu Diensten stehe. Antonia bedauerte ihre Gefährtin aus alten Zeiten zutiefst. Zwar würde ihr nun körperliche Schwerstarbeit erspart bleiben, aber das war auch das Einzige. Blieb nur zu hoffen, dass die arme Ursel nicht allzu sehr unter den Grillen der Priorin zu leiden hatte.
    Andererseits, dachte Antonia, würde sie nun vielleicht erfahren, was hinter den Türen des Priorats und des Novizenhauses wirklich vor sich ging. Schon seit einiger Zeit nämlich hegte sie den Verdacht, dass hier auch gegen das dritte Gelübde, das der Keuschheit, verstoßen wurde. Zwar kehrte des Abends Ruhe im Kloster ein, wenn sich spätestens zur Komplet der letzte der Besucher verabschiedet hatte, doch hatte sie zwei-, dreimal schon gemeint, mitten in der Nacht das Flüstern von Männerstimmen zu hören. Vor allem Schwester Florentina, die Gewandmeisterin, verdächtigte Antonia in dieser Richtung, seitdem sie sie einmal auf der dunklen Stiege des Novizenhauses mit einem jungen Edelmann überrascht hatte. Antonia hatte an jenem Tag bei Schwester Columbina vorgesprochen, um den Verkauf einiger alter Handschriften zu verhindern. Sie hatte eben die Wohnungstür hinter sich zugezogen, als sie von unten ein unterdrücktes Stöhnen vernahm. Eilig war sie die Stiege hinuntergelaufen, um herauszufinden, wem es da wohl schlecht erging, als sie auf Florentina und den Junker traf, die erschrocken auseinanderfuhren.
    «So überbringt denn Eurer Familie, lieber Junker», Florentina strich sich verlegen ihr Skapulier glatt, «dass

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