Die Himmelsbraut
Fahrweg lenkte.
«Scholarenpack!», schrie der zurück. «Solltet lieber was arbeiten als dem Herrgott die Zeit stehlen!»
«Neidhammel! Dabei hast sicher auch gleich Feierabend, und deine Alte wartet schon.»
«Oder sie macht grad die Beine für ein andres Mannsbild breit.»
«Dreckskerle», hörten sie noch, dann waren Kutscher und Fuhrwerk in einer Staubwolke verschwunden.
Die beiden Rappoltsteiner brachen in raues Gelächter aus, während der Krug die Runde machte.
«Was treibt ihr eigentlich», fragte Joachim, «wenn die Prüfungen vorbei sind? Verschwindet ihr dann alle zu euren Familien?»
Phillip, Egbert und Ulrich nickten.
«O nein!» Der junge Schiller von Herdern raufte sich in gespielter Verzweiflung sein langes nasses Haar. «Dann lasst ihr mich also bis November im Stich? Schöne Freunde seid ihr. Ihr habt keine Ahnung, wie öd es hier ist, wenn keine Vorlesungen sind.»
Georg von Rappoltstein sprang auf und streifte sich die letzten Wassertropfen von seiner blassen Haut. «Dann komm halt mit mir, Schiller. Ich will mit meinem Knecht hinauf in den Schwarzwald ziehen.»
Sein Bruder Ulrich kniff die Augen zusammen. «Du kommst nicht mit heim ins Elsass?»
«Damit ich mich den ganzen Tag von unserem Vater schurigeln lasse? Nein, da weiß ich was Bessres.»
«Und das wäre?»
«Drüben im Osten, in der Stühlinger Landgrafschaft, haben sich die Bauern gegen Graf Siegmund von Lupfen erhoben. Und gegen die Kirche. Die verweigern doch tatsächlich die Frondienste und Abgaben an den Landgrafen und rotten sich in starken Haufen zusammen. Da braucht es jetzt Unterstützung gegen diese tumben Kürbisschädel, die glauben, die Welt vom Kopf auf die Füße stellen zu können.»
«Was regst du dich auf?», warf Phillip ein. «Das ist doch ganz nach dem Lutherwort
Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Ding und niemandem untertan
.»
Georg warf ihm einen scharfen Blick zu. «Ich hab mit diesem wittenbergischen Mönchlein nichts mehr am Hut, seitdem jeder Bauer sich auf ihn beruft.»
«Die Mönchskutte hat Luther schon lange abgelegt, falls dir das entgangen ist», korrigierte ihn Phillip.
Georg griff nach seinen Kleidern und zog sich Hemd und Hose über.
«Also, Schiller – kommst du mit mir? Oder ihr anderen, was ist mit euch? Ein Spaß wär es allemal. Außerdem: Schlägt man nicht auf den Funken, brennt bald das ganze Haus.»
«Was schert mich ein kleiner Bauernlärm am andern Ende des Schwarzwalds?», knurrte Joachim und erhob sich ebenfalls.
«Habt ihr eine Ahnung.» Georgs Wangen wurden rot vor Eifer. «Der Haufen von Hans Müller von Bulgenbach steht schon mit sechshundert Mann vor Waldshut. Ihr werdet sehen: Bald werden die Bauern überall im Land einen neuen Bundschuh entfesseln – den Luther im Übrigen heraufbeschworen hat», fügte er in Phillips Richtung hinzu.
Egbert tätschelte Georg den Kopf wie einem Kleinkind: «Tu, was du nicht lassen kannst. Du warst schon immer ein Hitzkopf. Aber lass mich mit solchem Kram in Ruh.»
«Mich auch.» Joachim kippte sich den letzten Tropfen Bier in den weit geöffneten Rachen. «Da unser zweites Fässchen jetzt auch leer ist, schlag ich vor, dass wir in die Stadt gehen. Wenn man uns im Salmen nicht mehr haben will, gehen wir eben in den Storchen oder in den Wilden Mann. Der Wein ist hier wie da gleich schlecht.»
«Ohne mich.» Phillip begann sich anzukleiden. «Ich muss mir bei Molitoris noch die
Margarita philosophica
ausborgen.»
«Und in einer Nacht durcharbeiten, was?» Egbert schüttelte missbilligend den Kopf. «Dann also bis morgen in der Vorlesung.»
Eine Woche später hatte Phillip seine Prüfungen bestanden – im Fachbereich Logik mit einigen Mühen, in allen anderen Fächern dafür mit Belobigung. Egbert war wieder einmal durchgefallen, was ihn nicht daran hinderte, mit Phillip und den anderen Prüflingen drei Tage und drei Nächte ausgelassen zu feiern.
Als dann die vorlesungsfreie Zeit begann und seine Studiengefährten nach und nach abreisten, begann Phillip zu zaudern. In Wahrheit zog es ihn überhaupt nicht nach Holderstein, wo sein Bruder Wighart jetzt schon großspurig herrschte wie ein Fürst. Lieber würde er hierbleiben und sich auf seinen Magister vorbereiten, dabei hin und wieder mit Egbert zusammen Ausritte in die Umgebung unternehmen oder sich die Zeit auf angenehme Art in der Stadt vertreiben. Sein Freund nämlich machte ebenfalls keinerlei Anstalten, in seine bayrische Heimat aufzubrechen.
Was
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