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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Flur, von dem die Treppe ins Dormitorium hinaufführte. In ihrer Kammer rückte sie den Stuhl unter das Fensterchen, stieß die Luke auf und blickte sehnsuchtsvoll hinaus auf die schneebedeckte Waldlandschaft. Wenn doch nur Mutter Lucia endlich käme, um diesem Treiben ein Ende zu machen!
     
    In der folgenden Nacht blieb zunächst alles ruhig. Nach der Komplet waren weder Schritte im Flur noch Stimmen im Dormitorium zu vernehmen. Nur einmal glaubte Antonia, fernes Gelächter aus Richtung des Novizenhauses zu hören. Gegen Mitternacht knarrte nebenan die Tür, und Antonia fuhr aus ihrem Halbschlaf. Ihre Schwester war also auf dem Weg zur Nonnenempore. Außer Magdalena und hin und wieder der Schwester Pförtnerin hielt sich an gewöhnlichen Tagen niemand an das Nachtgebet. So war auch jetzt keine weitere Tür als die ihrer Schwester zu hören.
    Antonia beschloss zu warten, bis Magdalena zurückkehren würde. Im Stillen betete sie die Psalmen des Nachtgebets mit. Als danach noch immer nichts zu hören war, entfachte sie die Lampe auf dem Tischchen, streifte sich das Chorgewand über und rückte den Schemel gegen die Wand zur Nebenkammer. Dort saß sie geraume Zeit und lauschte in die Stille hinein.
    Endlich waren Schritte zu hören, kurz darauf das Öffnen und Schließen von Magdalenas Tür. Drei-, viermal noch knarrte der Dielenboden, dann nichts mehr. Antonia, der die Kälte der Nacht trotz Chormantel in alle Glieder gekrochen war, beschloss, wieder zu Bett zu gehen. Ihre Schwester war sicher längst eingeschlafen.
    Doch kaum hatte sie sich von ihrem Schemel erhoben, hörte sie ein Flüstern. Sie presste ihr Ohr gegen die Wand. Kein Zweifel: Magdalena war nicht allein.
    Zunächst verstand sie nichts, so laut hämmerte ihr Herz. Schließlich drangen einzelne Wortfetzen an ihr Ohr, von einer Stimme, die einiges tiefer war als die ihrer Schwester.
    «… Du zitterst ja … Warte – so ist’s recht … Deine zarte Gesundheit, o welche Qualen … All meine Liebe will ich dir geben … Du Unschuldskind, nichts ist dabei …»
    Mit einem Satz war Antonia draußen im Gang, drückte vorsichtig gegen die Tür zur Kammer ihrer Schwester – aber sie war von innen verriegelt. Ein fahler Lichtschein drang von innen auf den dunklen Flur, zwischen zwei Latten der nachlässig zusammengenagelten Tür. Sie bückte sich, versuchte mit den Fingern die losen Latten noch weiter auseinanderzuschieben – und erstarrte. Genau auf das Bett ging der Blick, und dort lag ihre Schwester mit der Priorin! Magdalena mit dem Gesicht zur Wand, Camilla von Grüningen von hinten eng an sie geschmiegt, wobei sie mit der Hand Magdalenas Rocksaum bis über den Hintern nach oben geschoben hatte. Leichenblass schimmerten Magdalenas nackte Beine und ihre knochige Hüfte im Licht der Tranlampe.
    «So zart … So zerbrechlich … Ich will dich ganz und gar wärmen …»
    Da entrang sich Magdalena ein unterdrückter Aufschrei. Antonias Finger fuhren aus der Lücke, mit einem lauten Knall krachte das Brett herunter und gab den Anblick der Sünde in seiner ganzen Schändlichkeit preis. Voller Entsetzen hetzte Antonia zurück in ihre Kammer. Dort schob sie den Riegel vor und hockte sich, noch steif vor Schreck, auf die Bettkante.
    Ein kurzes Poltern und Scharren waren zu vernehmen, eilige Schritte, die sich entfernten – dann herrschte wieder nächtliche Stille, dieweil es in ihrem Kopf tobte. Antonia hatte davon gehört, dass Männer Männer liebten und dass diese Art Wollust zu einer der verwerflichsten Todsünden gehörte, die mit dem Tode bestraft wurde. Hingegen Fleischeslust unter Frauen? Jetzt war sie Zeuge dessen geworden, was sie zwar geahnt, aber trotz alledem niemals für möglich gehalten hätte.
    Entschlossen nahm sie ihre Lampe und schlich sich hinüber zur Nachbarkammer. Magdalenas Tür war nur angelehnt, und sie betrat leise das Zimmer. Als sie in Richtung Bettdecke leuchtete, fand sie darunter verborgen eine zusammengekauerte Gestalt vor.
    «Magdalena», flüsterte sie und stellte die Lampe auf dem Boden ab. Da sich nichts regte, zog sie vorsichtig die Decke ein Stück zurück. Magdalenas offenes Haar klebte ihr an der Stirn, die Augen waren weit geöffnet. Antonia hätte erwartet, dass ihre Schwester in Tränen aufgelöst sei, doch sie starrte nur stumm an die Decke.
    «Magdalena», wiederholte sie leise und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. «Ich bin es, Antonia.»
    Hätte sich Magdalenas Brust nicht auf und ab bewegt, hätte man

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