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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Stille im Kirchenschiff. Bis Mutter Camilla sich an Hilde als neue Siechenmeisterin wandte und ihr mit vor Zorn bebender Stimme befahl, Magdalena in den Krankensaal zu schaffen.
    Antonia kam wieder auf die Füße.
    «Ich begleite Schwester Hilde», beschied sie und heftete ihren nicht minder zornigen Blick auf die Priorin, die schließlich nickte. Gemeinsam mit Hilde hob sie Magdalenas federleichten Körper empor.
    «Das wird noch Folgen haben», zischte Mutter Camilla ihr zu, doch Antonia hatte nur noch den Gedanken, ihre Schwester hier herauszuschaffen. Sie hatte ihre Arme unter Magdalenas Schultern geschoben, während Hilde sie an den Beinen trug. Ein gutes Stück mussten sie sie durch den Kreuzgang schleppen, in den immer wieder stürmische Regenböen hineinfuhren. Bis sie die Infirmerie erreicht hatten, war Magdalenas Gewand vollständig durchnässt.
    Außer einem Bett, das unmittelbar vor dem kleinen Altar an der Stirnseite des Saals stand, waren alle Liegen in dieser feuchtkalten Herbstzeit von fiebrigen, hustenden Familiaren besetzt. Sollte es demnächst noch mehr Kranke geben, würden sie sich ein Bett zu zweit teilen müssen.
    «Zieh sie rasch aus», sagte Hilde, nachdem sie Magdalena hingelegt hatten, «ich hole trockene Sachen.»
    Vorsichtig schälte Antonia Magdalenas dürren Körper aus dem nassen Stoff. An mehreren Stellen entdeckte sie dunkle Flecken, die wie Druckstellen aussahen, so wie verschorfte Wunden von ihren Geißelungen. Eine Welle von Verzweiflung überkam sie. Wann hatte ihre Schwester eigentlich das letzte Mal gelacht, wann unbeschwert Freude an irgendwas gezeigt?
    In diesem Augenblick kam Magdalena zu sich. Sie schien ihre Schwester zu erkennen. «Antonia …»
    «Ja, Lena, ich bin bei dir. Hab keine Angst.»
    «Wo ist … Wo ist …» Der Rest erstarb in einem undeutlichen Gemurmel. Antonia beugte sich zu der Fieberkranken herunter, das Ohr nahe an Magdalenas aufgesprungenen Lippen, die sich mühevoll zum Sprechen öffneten.
    Nur einen Satz glaubte Antonia richtig verstanden zu haben: «Verdorben sind sie und abscheulich geworden in ihren Gelüsten.»
     
    Der Weihnachtsmonat war noch nicht angebrochen, da lagen Wiesen und Wälder schon unter einer dichten Schneedecke. Magdalena hatte sich überraschend schnell von ihrem Fieberanfall erholt und nach drei Tagen die Krankenstation verlassen können. Wie ein Grashalm, dachte Antonia, der vom Unwetter niedergepeitscht wird. Kaum klart das Wetter auf, reckt er sich wieder gen Himmel.
    Das ganze Kloster sprach nur noch von Magdalenas unheilvoller Prophezeiung. Zu den Mittags- und Abendmahlzeiten erschienen sämtliche Schwestern aus dem Novizenhaus und belauerten Magdalena mit Blicken wie die Wölfe ihre künftige Beute. Indessen wagte niemand, sie zu bedrängen, um Genaueres zu erfahren. Niemand, außer Mutter Camilla. Einmal, während der Erholungszeit nach dem Mittagsmahl, beobachtete Antonia, wie die Priorin ihre Schwester zur Seite nahm und zu einer der Lesebänke im Kreuzgang führte. Ohne zu zögern, drückte sich Antonia in einen Durchgang nahe der Bank und lauschte. Der kalte Stein an ihrem Rücken ließ sie trotz ihres wollenen Wintergewands frösteln.
    «Sag, Schwester Maria Magdalena – auch mich, deine Mutter Oberin, magst du nicht teilhaben lassen an dem, was du gesehen hast?»
    «Ich weiß nicht mehr zu sagen, als ich bereits erzählt habe, ehrwürdige Mutter.»
    «Du hast von einem großen Unheil gesprochen. Du musst dich doch erinnern.»
    «Nein, ehrwürdige Mutter. Es tut mir leid, wenn ich Euch enttäusche.»
    «Gib mir deine Hand, Schwester Maria Magdalena. Ja, so ist’s recht. Sie ist ja ganz kalt – ich will sie wärmen. Und nun schließ die Augen und versuche dich zu erinnern.»
    «Da ist nichts, ehrwürdige Mutter.» Magdalenas Stimme war nur noch ein Hauch.
    «Hast du denn kein Vertrauen in mich?»
    «Ich würde es Euch sagen, wenn ich nur könnte.»
    Ein schmerzvoller Seufzer entrang sich Mutter Camillas Kehle. «Was bist du nur für ein zartes Pflänzchen, das so viel Unfassbares aushalten muss! Das so viel erträgt im Glauben an den allmächtigen Gott. Aber der Herr hat sich dich ausgesucht. Wirst du es ertragen, auch weiterhin?»
    «Ja, Mutter.»
    «So will ich dir auch weiterhin zur Seite stehen, dir Trost und Liebe geben.»
    In diesem Augenblick betraten unter lautem Schwatzen Florentina und Columbina den Kreuzgang. Antonia nutzte die Gelegenheit, um ihr Versteck zu verlassen, und huschte in den kleinen

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