Die Himmelsbraut
Magdalena nicht gut, ich will sie zurück ins Kloster Marienau bringen, und zwar so bald als möglich. Für zwei Frauen allein ist das zu gefährlich, schon wegen der Wölfe und Bären, und daher bitte ich dich, uns zu begleiten.»
«Marienau? Wo liegt das?»
«Hinter Freiburg, auf der anderen Seite des Rheintals.»
Peter pfiff durch die Zähne. «So weit bin ich noch nie hinausgekommen.»
«Es ist viel verlangt, vielleicht zu viel. Aber ich weiß keinen anderen Weg.»
Peter runzelte die Stirn. «Wie lange hat Eure Reise hierher gedauert?»
«Vier Tage.»
«Das dachte ich mir. Und Ihr seid querbeet über die Waldberge?»
«Ja.»
«Im Winter?»
«Nein, im Frühjahr», gab Antonia kleinlaut zurück.
Er wies mit der Hand durch das offene Schuppentor. «Seht Ihr die dicken, nassen Schneeflocken? Es setzt Tauwetter ein. Schon bei trockener Kälte wäre der Weg durch die Berge eine Schinderei ohne Ende, die Schwester Maria Magdalena niemals durchstehen würde. Aber bei Tauwetter könnt Ihr es schlichtweg vergessen.»
«Dann warten wir, bis das Wetter wieder umschlägt.»
Er schien mit sich zu kämpfen und schüttelte schließlich bekümmert den Kopf. «Es geht nicht.»
«Hast du Angst vor den Folgen? Vor der Priorin?»
Verächtlich zog er die Mundwinkel nach unten. «Vor dieser falschen Gottesanbeterin? Gewiss nicht. Und glaubt mir: Lieber heut als morgen wär ich fort von hier.»
«Was ist es dann? Willst du Geld dafür? Ich kann dir nichts geben, aber die Äbtissin von Marienau wird dich angemessen entlohnen, dafür leg ich meine Hand ins Feuer.»
«Schwester Antonia …» Seine Finger nestelten unruhig am Band seiner Kapuze. «Ich darf darüber eigentlich nicht reden, aber …»
«Was? Sprich weiter.»
«Habt Ihr nicht von den aufständischen Bauern gehört? Der ganze südliche Schwarzwald steht schon in Aufruhr. Überall sammeln sie sich, manche Haufen sind über tausend Mann stark! Noch geben sie sich halbwegs friedlich bei den Verhandlungen mit ihren weltlichen und geistlichen Herren, suchen die Städte als Verbündete zu gewinnen. Aber das kann jeden Augenblick umschlagen. Und dann haben wir hier Krieg.»
Nichts davon hatte Antonia je gehört. Möglicherweise wusste Camilla von Grüningen hierüber Bescheid, aber seit jenem entsetzlichen Vorfall letzte Woche ging die Priorin ihr ohnehin aus dem Weg. Sie tauchte auch nicht mehr zu den Mahlzeiten im Nonnenrefektorium auf und erst recht nicht mehr in Magdalenas Kammer. Dorthin nämlich hatte Antonia ihr Bett geschafft, um ihre Schwester wie ein Hütehund zu bewachen, und ließ sie auch tagsüber kaum aus den Augen. Sie fragte sich oft, ob Mutter Camilla ahnte, wer da des Nachts ihr abscheuliches Tun beobachtet hatte, oder ob Magdalena ihr gar, in einem schwachen Augenblick, davon erzählt hatte. Letztlich war Antonia das von Herzen gleichgültig. Sie jedenfalls hatte den Gehorsam gegen ihre Priorin endlich aufgekündigt.
«Was ich nicht verstehe», sagte sie, «warum sollte man zwei Frauen, die mit einem jungen Knecht auf Wanderschaft sind, etwas antun?»
Peter sah sie verdutzt an. «Begreift Ihr denn nicht, in welche Gefahr Ihr Euch bringt in Eurer Klostertracht? Die Wut auf Nonnen und Mönche ist groß.»
«Dann müssen wir uns als Bäuerinnen verkleiden.»
«Ach, Schwester Antonia – vielleicht mag man
Euch
die Verkleidung abnehmen, aber Eurer Schwester würde man sie niemals glauben, so blass und zart, wie sie ist! Glaubt mir, ich selbst habe keine Angst vor den Bauernhaufen, weil ich … weil ich mich ohnehin als einen der ihren fühle. Aber ich könnte Euch niemals gegen sie beschützen. Die sind keineswegs nur mit Dreschflegeln und Sensen bewaffnet, da sind etliche ehemalige Landsknechte dabei, mit Spießen und Harnisch und sogar Büchsen. Und was die mit zwei jungen Frauen wie Euch auf der Landstraße anstellen würden, mag ich Euch wirklich nicht weiter ausmalen.»
Antonias Hoffnung sank in sich zusammen. Peter war kein Feigling, das wusste sie, und sie wusste auch, dass sie ihm glauben konnte.
«Es tut mir leid», fügte Peter kläglich hinzu und sah zu Boden. «Zu einer anderen Zeit hätt ich es gern für Euch getan. Aber jetzt müssen wir erst einmal abwarten.»
Antonia strich ihm in einem Anflug von Zuneigung über das borstige rote Haar. «Du hast recht. Für uns Frauen könnte es ein Marsch gradwegs in die Hölle sein.» Auch wenn es hier, dachte sie im Stillen, für Magdalena nicht viel besser war.
Mutlos kehrte sie in
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