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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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hinaus auf den Kirchenvorplatz, wo sie das ganze Ausmaß der Zerstörung erblickten. Stallungen, Kornspeicher und Heuschober brannten bereits lichterloh, auch aus dem Haus der Priorin züngelten Flammen. Überall lagen Haufen von zertrümmerten Gerätschaften und Hausrat herum.
    «Das Klostertor brennt auch», rief Ursel. «Wir müssen durch den Friedhof auf der anderen Seite hinaus, bei der Zufahrt zu den Vorratskellern.»
    Gebe Gott, dachte Antonia, dass die Wagenpforte dort offen steht. Denn einen Schlüssel für diese Nebenpforte besaßen nur die Priorin, die Kellermeisterin und der Klosterschaffner.
    Vom Friedhof aus war zu sehen, dass tatsächlich auch der Dachstuhl der Kirche zu brennen begann, genau dort nämlich, wo das schadhafte Ziegeldach mit Stroh und Holzschindeln geflickt war. Doch nicht nur das: In der Bibliothek über der Sakristei waren die Fester ausgerissen, davor loderte ein wahrer Scheiterhaufen gen Himmel. Kostbare Handschriften und Inkunabeln, Urkundenrollen, die Truhe mit dem Klosterarchiv – alles ging in Flammen auf.
    Antonia unterdrückte einen Aufschrei, dann rannte sie den anderen hinterher, an den Außenmauern der Klausur entlang, bis sie auf Höhe der Vorratskeller zum Stehen kamen. Vom Kelleraufgang führte hier ein breiter Weg direkt zum Nebentor für die Fuhrwerke, dessen Flügel in Trümmern auf dem Boden zerstreut lagen. Frische Spurrillen von Handkarren zeugten davon, dass die Plünderer auch bei den Vorräten zugange gewesen waren.
    Plötzlich hörten sie lautes Gelächter. Es drang aus dem Weinkeller herauf.
    «Herr im Himmel!», entfuhr es Ursel. «Da unten sind noch welche.»
    Antonia, die der Hauswand am nächsten stand, beugte sich vor und warf einen Blick durch die offene Luke. Im Schein einer Lampe hockte eine Handvoll Männer auf dem Boden vor den geöffneten Fässern, bis zu den Knöcheln in einem See von Wein, einer hing mit zurückgebeugtem Nacken unter dem Zapfhahn und ließ sich den Wein übers Gesicht laufen. Ihr Schreck verflog. So wie es aussah, waren diese Kerle schon sturzbesoffen und damit außer Gefecht gesetzt.
    «Rasch weiter.» Euphemia zog sie von der Luke weg. «Da vorn im Gästehaus sind auch noch welche.»
    «Aber wohin sollen wir?» Hilde liefen die Tränen übers Gesicht. Das Gegröle aus dem Weinkeller wurde lauter.
    «Ich hab eine Base auf dem Thannhof», beschied Euphemia, «zwei Wegstunden von hier hinter dem nächsten Dorf. Dort kommen wir fürs erste unter.»
    «Zwei Wegstunden? Es beginnt bald zu dämmern. Und regnen tut’s auch», jammerte Hilde.
    Tatsächlich hatte ein leichter Nieselregen eingesetzt. Hastig stolperten sie über die Holztrümmer hinweg zum Tor hinaus, als Magdalena mit einem Mal stehen blieb.
    «Das Heiligkreuz!», stieß sie hervor. «Es darf nicht brennen.»
    Antonia starrte sie entgeistert an. Dann packte sie sie hart beim Ärmel. «Vergiss es und komm.»
    Mit unerwarteter Kraft schüttelte Magdalena ihre Schwester ab, griff der ebenso verdutzten Euphemia in die Seitentasche ihres Umhangs und rannte mit dem goldenen Altarschlüssel in der Faust zurück ins Kloster.
    Antonia unterdrückte einen Fluch. «Ich hol sie zurück. Wartet auf uns oben an der Landstraße.»
    Niemals hätte sie vermutet, dass Magdalena so schnell rennen konnte. Erst am Eingang zur Sakristei vermochte sie sie einzuholen, doch Magdalena stieß sie zur Seite.
    «Lena! Komm zurück!»
    Antonia stürzte hinterher, mitten hinein in das verwüstete Kirchenschiff. Die Fenstergemälde des Chors waren sämtlich zertrümmert, das kunstreiche Sakramentshäuschen war zerschlagen, und in der Hoffnung, Gold und Kostbarkeiten daselbst zu finden, hatte man sogar die Grabplatten der gräflichen Stifter aufgebrochen.
    Es stank nach Rauch, der in dichten Schwaden aus der Nonnenempore drang und ihnen fast den Atem nahm, und nach Schweinegülle. Der ganze Hochaltar mitsamt seinen Stufen war übergossen mit dieser dunkelbraunen Brühe, und Magdalena kauerte mittendrin, um die Eisenkammer im Altarsockel aufzusperren. Antonia hatte Mühe, nicht auszugleiten, als sie ihrer Schwester zu Hilfe eilte. Denn eines wusste sie: Ohne die Reliquie würde Magdalena das brennende Kloster nicht verlassen.
    Endlich ließ sich das Schloss öffnen. Da krachte keine drei Schritte von ihnen entfernt ein brennender Balken zu Boden. Antonia riss das Reliquiar vom Kissen, packte ihre Schwester am Arm, zog sie hinter sich zurück in die Sakristei und stolperte dabei fast über den Saum ihres

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