Die Himmelsbraut
wieder dunkelrot an.
«So ist es!», rief Bertha, die Magd. «Auch wir Klosterleute fordern Gerechtigkeit. Wir wollen, dass unserer Hände Arbeit anständig entlohnt wird. In barer Münze und anständiger Versorgung. Wir wollen weder mit Schweinefraß gestopft werden noch in Lumpen gehen!»
Die Umstehenden klatschten in die Hände, während Euphemia beschwichtigend die Arme hob. «Was das Geld angeht, so wendet euch an den Klosterschaffner Magirus Eckstein. Wir Chorfrauen besitzen nichts.»
«Pah! Das sollen wir euch glauben?», setzte Bertha nach. «In Samt und Seide geht ihr, wenn ihr unter euresgleichen seid, fresst euch mit Wachteln und zartem Spanferkelfleisch voll und hurt mit vornehmen Herren umeinander. Denkt ihr etwa, wir haben keine Augen und Ohren?»
Antonia schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass die Stimmung nicht wieder umschlug. Wenn jetzt Hass und Gewalt die Oberhand gewannen, waren sie verloren. Aber Euphemia blieb gefasst. Sie trat einen Schritt auf die Magd zu.
«Auch wir haben von diesen Auswüchsen gehört und darunter gelitten. Zeige nur auf eine von uns, die du dieser Schändlichkeiten verdächtigst, und ich werde wie Lots Weib zur Salzsäule erstarren, solltest du recht haben.»
Bertha biss sich auf die Lippen und senkte den Kopf.
«So lasst uns nun über eure Nöte reden. Wer ist euer Sprecher?»
Zu Antonias Erleichterung hob der Alte neben Matthes die Hand. «Ich, Schwester Euphemia. Ich bin Stoffel, der Mühlenknecht.»
«Gut. Zuvor habe ich eine Frage: Wer von euch ist zu den aufständischen Bauern übergelaufen?»
«Der Pferdeknecht Peter, die beiden Arbeiter Lorenz und Enderlin, dazu zwei von den Gesellen und Heinrich, der Gartenmeister. Und drei von den Mägden sind mit den Nonnen abgehauen.»
«Verräterinnen!» – «Elende Judasse!», rief irgendwer.
«Ruhe jetzt. Was ist mit dir, Stoffel? Wirst du in Liebfrauenwalde bleiben?»
«Ja, Schwester Euphemia.»
«Ihr anderen, hört zu. Wer von euch sich den Aufständischen anschließen und nach Bonndorf ziehen will, der soll bis zum Mittagsläuten das Kloster verlassen. Du, Stoffel, wählst dir zwei Vertraute, einen Mann und eine Frau. Nach dem Mittagsmahl wollen wir mit euch dreien die Vorratskammer im Gesindehaus besichtigen und hernach entscheiden, wie wir die Vorräte neu aufteilen. Ebenso wollen wir mit den Kleidern verfahren.»
Ein zustimmendes Raunen brandete über den Kirchhof, von dem der Nebel jetzt in hellen Schwaden in einen sonnigen Frühlingshimmel stieg. Es sah aus, als ob das Kloster dampfte.
«Bevor ihr nun wieder an eure Arbeit geht, lasst uns gemeinsam das Vaterunser sprechen. In eurer Sprache. Und morgen möchte ich alle, die bleiben, zur Palmsonntagsmesse sehen. Vergesst nicht, eure Palmsträuße zum Segnen mitzubringen.»
Antonia staunte immer mehr über Euphemia. Die alte Frau hätte wahrhaftig das Zeug zur Klostervorsteherin.
Der restliche Tag verlief ruhig, fast als ob nichts geschehen wäre. Auf der Nonnenempore hatten sie alles so vorgefunden, wie es sein sollte. Wahrscheinlich hatten die Flüchtigen in ihrer Eile nicht gewagt, so dicht an ihrem Schlaftrakt zu plündern. Oder die Ausbeute war ihnen zu gering erschienen, denn der Nonnenchor war um einiges spärlicher ausgestattet als der Hauptchor unten im Kirchenschiff.
Von den Familiaren hatte bis zum Mittag niemand das Kloster verlassen. Die Kleiderkammer, die Schwester Florentina unter sich gehabt hatte, war überraschend gut gefüllt, und so wurde jedem Bedürftigen ein neues Gewand oder ein Paar guter Schuhe zugeteilt. Um die Vorräte war es schon schlechter bestellt, und Antonia fragte sich besorgt, ob die Zinsbauern des Klosters zum bevorstehenden Osterfest überhaupt ihre Abgaben leisten würden. Ohnehin würden die Nonnen baldmöglichst nach dem Klosterschaffner schicken müssen, denn sie wussten nicht Bescheid um die wirtschaftlichen Belange eines Klosters. Der Gedanke, dass Euphemia für ihr eigenmächtiges Handeln womöglich von höherer Stelle bestraft werden könnte, kam nicht nur Antonia in den Sinn. Doch sie hatten beschlossen, in Ruhe abzuwarten.
Einstweilen waren sie damit beschäftigt, im Garten bei herrlichem Sonnenschein Zweige für die Palmweihe zu sammeln, den hölzernen Esel für den Einzug in Jerusalem herauszuputzen und den Hauptaltar mit Palm- und Blütenzweigen zu bestecken. Dabei sangen sie ihre Psalmen und – auf Ursels Beharren hin – auch weltliche Lieder.
Antonia beobachtete ihre Schwester, mit welcher
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