Die Himmelsbraut
nächsten Augenblick Magdalenas Leichnam gebunden war. Eine halbe Ewigkeit später war sie im Schein zweier Fackeln auf dem kleinen Friedhof einer Dorfkapelle gestanden, umringt von neugierigen Menschen, jemand schleppte zwei Spaten daher, ein junger Pfarrer tauchte aus der Dämmerung auf und redete auf sie ein. Da war sie plötzlich zusammengebrochen und erst wieder zu sich gekommen, als das Grab ausgehoben war. Zu ihrem Erstaunen hatte sie auf einmal trockene Sachen am Leib: ein Leinenmieder über einem geflickten Rock aus grobem Wollstoff, darüber einen grauen Umhang mit Kapuze und an den Füßen dicke Strümpfe in löchrigen Bundschuhen.
«… Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen»
, beendeten die Umstehenden ihr Gebet, woraufhin sich der Prädikant eiligst aus dem Staub machte. Auch die Frauen zerstreuten sich nach und nach, und so blieb nur das halbe Dutzend Männer zurück.
«Was machen wir mit ihr?», hörte Antonia einen von ihnen fragen. Ihr war alles gleich. Nicht nur dass ihre Schwester so schrecklich zu Tode gekommen war – jetzt erst hatte sie begriffen, dass Magdalena Phillips Brief erhalten und ihr unterschlagen hatte. Ein Brief, der damals vielleicht ihr Leben entscheidend verändert hätte.
«Wir nehmen sie mit, was sonst?» Das war der Schwarzbärtige, der sie geschlagen hatte. Jetzt erkannte sie auch den, der die tote Magdalena über den Bach getragen hatte. Es war der milchgesichtige Kerl, fast noch ein Knabe, der zuvor ihren Untergang vom Ufer aus tatenlos mit angesehen hatte.
«Hast du einen Sparren zu viel im Kopf? Was sollen wir mit einer Nonne?»
«Siehst du hier irgendwo eine Nonne?», gab der Schwarzbärtige zurück und grinste. «Ich seh nur eine hübsche junge Bauernmagd, die uns zu allerlei Diensten stehen kann. Oder willst du unterwegs deine Dreckwäsche selber waschen?»
«Urban hat recht», meinte ein andrer. «Erstens können wir sie nicht mitten in der Nacht hier zurücklassen, und zweitens … Wer weiß, was für Folgen eure Blödheit noch hat? Wenn das rauskommt!»
Die Männer redeten, als wäre Antonia Luft. Plötzlich begann sie zu frieren.
Der Junge mit dem Kindergesicht blickte zu ihr herüber. «Ich wollte das alles nicht. Ich konnte doch nicht ahnen, dass die beiden das wilde Wasser durchqueren würden.»
«Lass das weibische Gesülze, Marx», blaffte jener Urban. «Die sind grad selber schuld. Wären sie halt nicht vor uns davongerannt.»
Marx ließ sich nicht beirren. Er trat vor Antonia und sah sie verzweifelt an. «Glaub mir, es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass deine Klostergefährtin ums Leben kommt.»
«Sie war meine Schwester», erwiderte Antonia leise.
«O Gott!»
Marx fiel auf die Knie.
«Steh auf, du Hemdscheißer!» Urban gab ihm einen Stoß in den Rücken. «Und jetzt ab zur Mühle. Die andern warten auf uns.»
Im Schein der Fackeln zogen sie durch die stockdunkle Nacht zur Bannmühle am anderen Ende des Dorfes. Obwohl der Weg nicht allzu weit war, hatte Marx Antonia, gegen Urbans lautstarken Einspruch, auf einen der Maulesel gesetzt. Die rote Markierung am Ohr der Tiere verriet ihr, dass es sich um Vieh aus Liebfrauenwalde handelte.
Die Mahlstube war zum Bersten gefüllt mit Männern jeglichen Alters und einigen wenigen Frauen, alle in der groben Tracht des Bauernvolks. Aus Brettern hatte man Tische und Bänke errichtet, vor dem Mahlwerk lagerten Weinfässer, volle und leere Krüge machten die Runde. Das Ganze hatte etwas von einer Dorfschenke, zumal die meisten reichlich angetrunken wirkten, so wie sie sich über die Tische hinweg anbrüllten oder deftige Trinklieder grölten. Bis auf Bertha und den Klosterschmied Matthes konnte sie niemanden aus Liebfrauenwalde entdecken.
Marx führte sie zu einer Bank dicht bei der Feuerstelle.
«Wärm dich erst mal auf. Ich hol dir was zu trinken. Wie heißt du überhaupt?»
«Antonia.»
Kurz darauf kehrte er mit einem vollen Becher und einem kräftigen älteren Mann zurück, in dem Antonia den Pachtmüller des Klosterdörfchens Moosgrund erkannte.
«Du bist also aus Liebfrauenwalde?»
Sie nickte erschöpft und nahm einen Schluck von dem lauwarmen Gewürzwein. Er schmeckte süß und stark.
«Wohin sind die Priorin und ihre Kuttenweiber geflohen?», fragte der Pachtmüller weiter.
«Ich weiß es nicht.» Mit einem Mal war sie unendlich müde, und der Lärm der Mahlstube hallte schmerzhaft in ihrem Schädel wider.
Urban war hinzugekommen und schlug dem
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