Die Himmelsbraut
lebt schließlich nicht in irgendeinem Kloster. Dort, wo ich sie hingebracht habe, sind die Ordensfrauen für ihre Gelehrtheit und ihren untadeligen Lebenswandel weithin bekannt.»
«Dann sagt mir endlich, wo sie ist. Wenigstens in welchen Orden sie eingetreten ist. Bitte!»
«Das kann und will ich nicht. Und ich habe dafür meine Gründe. Nur so viel: Es geht ihr gut.»
Mutlos ließ sich Phillip wieder auf die Bank sinken. Über drei Ecken hatte er letzte Woche von Antonias Klostereintritt erfahren und sich umgehend zwei freie Tage von seinem Dienstherrn erbeten. Nach einem waghalsigen Ritt durch Sturm und Eisregen war er vor einer Stunde hier auf Holderstein angekommen, hatte seinen Vater um eine Unterredung unter vier Augen ersucht. Dass es Antonia gutging, konnte er nicht glauben. Er kannte sie lange genug, um zu wissen, dass sie sich niemals freiwillig in einen Käfig sperren lassen würde. Schon gar nicht in ein Kloster! Wie oft hatten sie beide sich lustig gemacht über Magdalena und deren übertriebene Frömmelei. Antonia war von ganz anderer Art, niemals würde sie gottgeweiht in strenger Klausur leben wollen.
Mochte sein Vater sie im Kloster auch gut aufgehoben wissen, so sah er selbst es mit ganz anderen Augen, jetzt, wo es überall rumorte im alten Glauben. Der hohe Klerus, die reichen Klöster waren doch nur damit beschäftigt, zu raffen und zu prassen, Ämter, Güter und Pfründen zu sammeln, sich in Lustbarkeiten jeder Art zu ergehen. Von gottgefälligem Leben keine Spur. Längst richtete sich der Zorn der Bauern und kleinen Leute unverhohlen gegen die Geistlichkeit – leider zumeist gegen den eigenen Dorfpfarrer, der schließlich nur der Letzte in der Reihe war.
Einige Male schon hatte er mit dem jungen Grafen Wilhelm, der der evangelischen Bewegung anhing, über diese Dinge geredet, wusste von ihm, dass der Kirchenzehnt an die reichen, geldgierigen Domherren und Bischöfe floss, während dem Pfarrer und seinem Kaplan nur ein Hungerlohn blieb für die Seelsorge; so wenig, dass er für sein Auskommen Landwirtschaft betreiben musste. Und wenn er dann in seiner Not Geld für Taufen, Trauungen oder letzte Ölungen verlangte, rief das erst recht Wut hervor. Noch andere, widerwärtige Dinge hatte er gehört. Etwa von zügellosen Ausschweifungen hinter den Türen einiger Bischofspaläste, von Mönchen und Nonnen, die der Geilheit und Hurerei frönten, wogegen der einfache Priester, der in heimlicher, aber ehrlicher Liebe mit seiner Magd zusammenlebte, nicht heiraten durfte.
Nein, die Kirche war morsch geworden, faulig an Haupt und Gliedern. Noch nie hatte sich die Geistlichkeit so weit vom Evangelium entfernt. Woher also nahm sein Vater die Sicherheit, dass es in Antonias Kloster anders war? Dass nicht auch dort Sittenlosigkeit und gottlose Heuchelei das Ruder übernommen hatten?
«Nie und nimmer würde Antonia den Schleier nehmen!», wiederholte Phillip trotzig.
«Jetzt hör auf damit! Weder ich noch die Äbtissin haben sie ins Kloster gezwungen, ganz und gar freiwillig ist sie dort, und nach allem, was mir die ehrwürdige Mutter geschrieben hat, fühlt sie sich wohl und hat sich gut eingefügt in die Gemeinschaft. Sie hätte ja auch den Sohn des Oberkircher Landschreibers ehelichen können – aber das wollte sie nicht.»
Bei diesem letzten Satz war Phillip zusammengezuckt. War das also der wahre Grund für Antonias Entscheidung? Dass sie das Kloster einer Heirat mit dem jungen Birkelnuss vorzog? Und konnte dies womöglich bedeuten, dass sie ihm, Phillip, zugeneigt war, zumindest ein klein wenig? Warum nur war er am Abend des Johannifestes oder an ihrem Krankenbett zu feige gewesen, um ihr zu gestehen, wie wichtig sie ihm war? Das Quäntchen Hoffnung, das soeben in ihm aufgeglimmt war, erlosch wieder. Womöglich hatte er sie für immer verloren.
Markwart von Holderstein erhob sich und setzte sich neben Phillip auf die Bank. Väterlich legte er ihm den Arm um die Schultern.
«Hör zu, mein Junge. Ich habe sehr wohl Augen im Kopf und ahne, dass dir Antonia ans Herz gewachsen ist. Auch ich schätze und mag Antonia sehr. Aber sie ist nicht die Richtige für dich. Du wirst ganz andere Frauen kennenlernen bei deinen Reisen von Hof zu Hof, Frauen von hohem Stand. Bewahre dir die Zeiten mit Antonia als schöne Kindheitserinnerung – nicht mehr, aber auch nicht weniger.»
«Ihr redet grad, als sei Antonia eine Bauernmagd. Sie ist immerhin die Tochter eines Freien!»
«Ich weiß. Aber wenn du eigens
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