Die Himmelsbraut
etlichen Zeiten nur noch wenige Chorfrauen leben, hatte unsere Priorin – möge ihre Seele in Frieden ruhen – beschlossen, die Zellen zu vergrößern. So wurden je zwei Zellen zu einer vereint, indem die Zwischenwand herausgebrochen wurde.»
Sie zeigte auf die erste Tür, die der Nonnenempore am nächsten lag.
«Hier ist die Zelle von Schwester Euphemia, unserer Sakristanin. Daneben die von Schwester Hilde, der Gartenmeisterin. Ich selbst bin übrigens Schwester Mechthild. Und hier», sie eilte einige Schritte voraus, «sind Eure Zellen, die Ihr nach Belieben aussuchen könnt.»
Elisabeth runzelte die Stirn. «Wenn ich Euch richtig verstanden habe, sind nur zwei Zellen belegt. Wo wohnen dann die übrigen Frauen?»
Jetzt wurde Schwester Mechthild vollends verlegen. «Vielleicht mag ja einiges bei uns anders sein als in Eurer Abtei. Wir sind nur sieben Chorfrauen, das Kloster ist im Grunde zu groß für uns. Und da das Novizenhaus leersteht, haben sich einige von uns dort niedergelassen. Ich selbst wohne im Pförtnerhaus, das letztes Jahr neu hergerichtet wurde.»
«Wir werden sehen, was unsere Priorin hierzu sagt.» Die Stimme von Elisabeth war schneidend geworden. «Ich denke, hier wird sich einiges ändern müssen.»
Dann betraten sie die erste freie Zelle, die die Größe einer geräumigen Kammer hatte, mit zwei Fenstern ins Grüne hinaus. An der Wand befand sich neben einer Truhe eine hölzerne Bettlade mit dicker Matratze obenauf, darüber ein schlichtes Kruzifix, unter den Fenstern ein kleiner Tisch mit Holzschemel. Antonia bemerkte sofort mehrere helle Flecke an den Wänden, als ob dort einst Bilder aufgehängt waren, und an der Wandseite gegenüber des Bettes hatte der Dielenboden eine dunklere Farbe. Weitere Möbelstücke mussten hier einmal gestanden haben. Ganz offensichtlich war diese Kammer mehr wie eine Bürgerstube denn eine Klosterzelle eingerichtet gewesen.
Auch ihre Mitschwestern sahen sich verwundert um.
«Alle Zellen gleichen sich», beeilte sich die Pförtnerin zu sagen, «auch in der Ausstattung. Wenn Ihr Euch jetzt also etwas Ruhe gönnen wollt? Ich möchte noch die restliche Non mitfeiern.»
Damit war sie auch schon verschwunden.
«Alsdann», sagte Elisabeth nach einem langen Moment des Schweigens, «teilen wir die Zellen also auf. Ich nehme diese hier, Agnes die nächste, Maria Magdalena die übernächste und du die letzte, Antonia. Seid ihr einverstanden?»
Sie nickten, und Antonia begleitete ihre Schwester in deren Kammer. Sie sah tatsächlich genau gleich aus wie die, die sie eben besichtigt hatten, nur war vor dem Fenster kein Baum zu sehen.
«Bist du froh, hier zu sein?», fragte Antonia. Ihre Schwester wirkte zwar erschöpft wie sie alle, doch die Tage an der frischen Luft hatten ihrem Gesicht Farbe gegeben.
«Ob hier oder anderswo – das macht keinen Unterschied.»
«Ist dir aufgefallen, dass die Pförtnerin gar nicht weiß, dass die Ämter neu vergeben sind?»
«Sie wird es erfahren, und nun lass uns schweigen bis zur Kapitelsitzung.»
Magdalena sah sie bittend an. Antonia nickte, nahm sie kurz in den Arm und ging nach nebenan. Zumindest wohnten sie Wand an Wand, und sie würde, wie sie es Mutter Lucia versprochen hatte, auf Magdalena achtgeben.
Keine halbe Stunde später läutete im Kreuzgang das Glöckchen zur Versammlung. Antonia erhob sich von ihrem Schemel am Fenster, wo sie, anstatt zu schlafen, den nahen Wald betrachtet hatte, und legte sich die Kukulle um, ihr Chorgewand mit den fast bodenlangen Ärmeln, das zum Gottesdienst und im Kapitel stets zu tragen war.
Im Flur traf sie die andern. Schweigend, den Kopf gesenkt, die verschränkten Hände in den Ärmeln verborgen, machten sie sich auf den Weg hinunter in den Kreuzgang. Zuvor, in ihrer Kammer, hatte Antonia plötzlich ein tiefes Unbehagen verspürt vor dem, was auf sie zukam in diesem Kloster. Umso enger fühlte sie sich jetzt ihren drei Mitschwestern verbunden, wie sie da so dicht hintereinander, als eine vertraute Einheit, durch den offenen Torbogen des Kapitelsaals schritten.
Ihre Priorin kniete ins Gebet versunken vor einem kleinen Altar, die Schwestern von Liebfrauenwalde waren noch nicht eingetroffen. So blieben sie unschlüssig stehen. Antonia betrachtete das Gewölbe über sich. Auch hier fanden sich überall Deckengemälde, doch die Farben waren so verblasst, dass die einzelnen Bilder kaum zu erkennen waren.
Von draußen vernahm sie leises Tuscheln und Flüstern, das sofort verstummte,
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