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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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durch die Außenschicht des Plasmas zu tunneln. Das war der Zünder, mit dem er das ewige Feuer zu entfachen gedachte.
    "Hat eine solche Apparatur irgendeine ökonomische oder militärische Bedeutung?" In Rivas Benehmen deutete sich eine zunehmende Ungeduld an, und ich wollte mein eigentliches Anliegen loswerden.
    Er sah mich an, als habe er noch nie dar über nachgedacht.
    "Wirtschaftliche sicherlich, milit ärische … weiß ich nicht. Auszuschließen ist das aber nicht. Ganz und gar nicht."
    Mit dieser wenig ergiebigen Antwort mu sste ich ihn ziehen lassen.
     
    Als nächstes stand ein Besuch in Altomontes Haus auf dem Programm. In meinem Mietwagen fuhr ich die wenigen Kilometer den See entlang. Kurz vor dem Dorf hielt ich an einem unscheinbaren Restaurant direkt am See an, um etwas zu essen. Mittag war schon geraume Zeit vorüber, und es war wärmer geworden. Wie ein Rekonvaleszent, der nach den ersten Stunden auf unsicheren Beinen sich mehr und mehr zutraut, schien auch die Sonne zu Kräften gekommen zu sein.
    Der Schankraum war menschenleer , und über die weißgedeckten Tische sah man auf das glitzernde Wasser hinaus. Ich aß einen Wurstsalat. Auf der leeren Sonnenterrasse kreiselte das trockene Laub im Wind. Gleich hinter einem schmalen Rasenstreifen ragte ein hölzerner Steg in den See hinein. Ein Ruderboot war daran festgemacht. Schaukelnd hob und senkte es sich im unregelmäßigen Rhythmus der Dünung.
    Am Vortag, am Abend und sogar in der Nacht - gegen drei war ich plötzlich hellwach gewesen - hatte ich über meinen Fund im Büro des Europäischen Instituts nachgedacht, über Bachs kleines Gedicht, den vertauschten Titel. Es war unwahrscheinlich, dass das Blatt der Kriminalpolizei entgangen war. Montaigne mochte jenseits von Gut und Böse sein, auf sein Handwerk verstand er sich. Möglich, dass es als unbedeutend einfach beiseitegelegt worden war. Schließlich war ich der einzige, der etwas damit anzufangen wusste. Auch der sybillinische Hinweis, den ich in der Überschrift zu sehen glaubte, dieses Suchet, so werdet ihr finden , war entweder für mich bestimmt oder aber meiner Einbildung entsprungen. Selbst jetzt, da ich mich anschickte, meine Vermutung an der Wirklichkeit zu messen, war ich mir keineswegs sicher, das Gesuchte zu finden. Möglich auch, dass die geheimnisvolle Seite, erst nach dem Unfall, nach Altomontes Tod, nach den verschiedenen Durchsuchungen der Polizei dorthin gelangt war, wo sie mir in die Hände fallen musste.
    Als ich auf den un befestigten Parkplatz vor dem Haus einbog, wartete Madame Combray schon auf mich. Altomontes Hauswirtschafterin hatte die Fensterläden aufgezogen, um zu lüften, die Gartentür geöffnet und hantierte neben dem Holzschuppen an einer großen Wasserzisterne herum. Mit der vagen Begründung, ich müsse etwas Wichtiges abholen, hatte ich sie überredet, mir Zugang zu Altomontes kleinem Anwesen zu verschaffen.
    Es war keine Bruchbude und auch keine Villa. Altomonte hatte ein älteres Haus bewohnt, ganz aus Holz besaß es einen zweiten Stock, der sich bis weit ins Dach hineinzog, einen gleichfalls hölzernen Vorbau mit einem Wintergarten und ein großes, ungepflegtes Grundstück. Das Haus lag unweit des Sees, ohne direkten Zugang zum Wasser zu haben. Für Schweizer Verhältnisse mochte es regelrecht bescheiden sein.
    Madame Combray begleitete mich ins Innere. Ich hatte sie schon bei fr üheren Besuchen bei Altomonte kennengelernt und als unumschränkte und unerbittliche Herrscherin über Haus und Hof in Erinnerung. Sie war Mitte Fünfzig, hatte einen schleppenden Gang - das rechte Bein holte in kreisförmigen Bewegungen Schwung, um sich vorwärtszuarbeiten - und wirkte abweisend, mürrisch bis zur Griesgrämigkeit. Es schien, als erlaubte ihr ihre mütterliche Strenge nicht, jemanden offen ihre Zuneigung zu zeigen. Fürsorge tarnte sie als Härte, und die Art und Weise, wie sie die Teller auf den Tisch knallen konnte, hätte einer Gefängniswärterin zur Ehre gereicht. Altomonte hatte ihr bereitwillig das Regiment über alle häuslichen Angelegenheiten überlassen. Manchmal hatten sie wie ein altes Ehepaar gestritten - oder wie Mutter und Sohn. Vielleicht hatte er diese Reibungsflächen gebraucht.
    Wie im B üro hatte die Polizei auch hier einiges beschlagnahmt. Trotz der großen Lücken in den Regalen und Schränken, trotz der ungewohnten Ordnung auf den Schreib- und Arbeitstischen machte das Haus einen wohnlichen, fast bewohnten Eindruck. Es war, als sei

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