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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Altomonte war dieses In-sich-ruhen zu einer sarkastischen, manchmal zynischen Selbstsucht pervertiert, ein fortschreitender und unumkehrbarer Prozess, der sich in den Jahren, die er in Deutschland und den Vereinigten Staaten verbrachte, beschleunigte. Nur selten, in den wenigen glücklichen Stunden seines Lebens, hatte uns diese andere, tiefere Seite seiner Person überrascht. Vielleicht war das der Grund, warum wir so lange zu ihm gehalten hatten.
    Man hatte White gefunden, den verschwundenen Amerikaner. Das war die Neuigkeit, mit der ich Riva konfrontierte, als sei er der Verd ächtige und ich der Kommissar, der ihn zu überrumpeln trachtete.
    "Na, Gott sei Dank!" entfuhr es ihm , und seine Miene hellte sich auf. Dann verdüsterte sie sich wieder, als sei die Sonne von einer Wolke direkt hinter die nächste verschwunden. Sein Blick suchte zum ersten Mal die Uhr. "Und deswegen wollten Sie mich sprechen?!"
    "Er ist tot. Man hat ihn mit zwei Kugeln im Kopf aus dem See gefischt." Das schien mir Erkl ärung genug, und auch Riva vergaß für einen Augenblick seinen Kongress, seinen Vortrag oder was immer er in Neapel vorhatte.
    Was ich als unumst ößliche Tatsache hingestellt hatte, war bislang nur eine Vermutung - mehr wahrscheinliche Hypothese allerdings als dunkle Ahnung. Noch hatte man White nicht zweifelsfrei identifiziert, und ich stellte mir Karen im kalten Keller des Gerichtsmedizinischen Instituts vor: blass, mühsam gefasst und letztlich schon wissend, so als könnten sich ihre Alpträume nur in dieser langen Metallschublade versteckt haben, die gleich wie eine Registratur auf ihren Führungsschienen heraus rumpeln würde. Dann fände auch das Wechselspiel in ihrem Gesicht ein Ende, dieses Schwanken zwischen tiefer Beunruhigung und matter Hoffnungslosigkeit, das mich am Vortag so berührt hatte.
    Auch der Kommiss är hatte keinen Zweifel daran gelassen. Genf war nicht Miami, und niemand wusste das besser als er. Wenn man einen Vermissten hatte und eine Leiche, die genau zu der Beschreibung passte, dann konnte man nur ein berufsmäßiger Skeptiker sein, um den fast greifbaren Zusammenhang als Spekulation abzutun.
    Am Morgen hatte der Kommiss är plötzlich an meinem Frühstückstisch gesessen. Zwischen zwei Bissen hatte sich seine durchscheinende Gestalt vor mir materialisiert, und ich muss ihn mit offenem Mund angeglotzt haben, unsicher darüber, wie wirklich eine solche Erscheinung sein konnte, denn er lächelte und bat, mich nicht stören zu lassen.
    Seit unserem letzten Treffen auf dem Friedhof hatte er sich überhaupt nicht verändert. Er trug den gleichen zerknitterten grauen Anzug und eine locker sitzende, in sich verdrehte Krawatte, die an einen Strick erinnerte. Matt lehnte er sich zurück, verschränkte die Arme und sah mir beim Essen zu. In seinem bleichen Gesicht konnte ich die Wirkung der verschiedenen Bestandteile meines Frühstücks auf seinen Magen ablesen. Je nachdem, was ich mir gerade in den Mund schob, mischte sich ein mehr oder weniger gequälter Zug in sein Lächeln. Es war als äße nicht ich, sondern er an meiner statt. Dann zog er eine Zigarette aus der Tasche, und weil er mir leid tat, nickte ich ihm zu. Er steckte sie sich halb in den Mund, sog daran wie an einem Schnuller und paffte dann ruhiger vor sich hin.
    Schnell erz ählte er mir die Neuigkeit. Dann fragte er mich, was ich bei der Schwester in Erfahrung gebracht habe. Auch wenn ich nicht regelrecht überwacht wurde, schien er doch über meine Schritte bestens im Bilde. Ich wollte mich für sein Entgegenkommen revanchieren und berichtete in groben Zügen von meinem Besuch bei Karen Demonnaie. Während ich sprach, nickte er traurig vor sich hin, so als bestätigten meine Worte das, was er sowieso schon wusste oder vermutete. Tatsächlich war mein Bericht mehr als dürftig.
    Da ich f ürchtete, Montaigne könnte jetzt, da er das wenige Wissenswerte erfahren hatte, genauso überraschend verschwinden wie er Minuten zuvor erschienen war, bestellte ich ihm einen koffeinfreien Kaffee. Ich fragte ihn, in welche Richtung er jetzt ermittele und ob der Mord nicht all seine Überlegungen hinfällig gemacht habe.
    Trotz seiner vordergr ündigen Freundlichkeit wirkte der Kommissär müde und niedergeschlagen, mitunter fast abwesend. Man habe ihm den Fall entzogen, gab er mir irgendwann zu verstehen. Die Drecksarbeit liege zwar nach wie vor bei ihm, die Gesamtleitung habe aber eine höhere Stelle an sich gezogen. Sein Blick war ergeben zur

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