Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
Vom Netzwerk:
viert nicht in Frage kam. Vielleicht wollten wir unsere Dreierbeziehung nach außen hin ein wenig kaschieren.
    Wenn ich mich richtig erinnere, war ich derjenige, der eine Erweiterung der Hausgemeinschaft vorschlug. Wie ein Boot, das Schlagseite hat, sollte auch unser Beziehungsgeflecht durch etwas Ballast an der richtigen Stelle ausgewogener werden. Das richtige Gegengewicht war zweifellos eine Frau, ein Vorschlag, den Alessandra ohne weitere Diskussion vom Tisch wischte. Schlie ßlich einigten wir uns auf ein Pärchen.
    Altomonte brachte jemanden aus seiner Chaos -Gruppe ins Spiel, Alessandra einen Kommilitonen vom SDS und ich eine sowohl hübsche als auch nette Bekanntschaft aus meinem Lektürekurs. Es war nur allzu offensichtlich, dass jeder seine Position durch das Einschleusen loyaler Verbündeter stärken wollte. Wir verhandelten die halbe Nacht. Immer neue Namen wurden wie beiläufig in die Runde geworfen. Mit vordergründigen Argumenten, was die Persönlichkeit, das Verhalten oder die politische Einstellung der denkbaren Hausgenossen anging, wurden all jene abgelehnt, die allzu parteiisch schienen. Niemand traute sich aber den wirklichen Grund zu nennen. Und wenn einem gar nichts mehr einfiel, sagte man: "Es tut mir leid, aber ich kann mit dem oder der einfach nicht." Besonders Alessandra griff häufig zu diesem Mittel. Sie behauptete dann, sie habe ein Existenzielles Problem damit, ein EP , wie sie es wegen seines häufigen Gebrauchs bald abkürzte. Dieses EP entsprach dem Veto einer Supermacht im Weltsicherheitsrat und war stets das letzte Wort.
    Erstaunlich genug, aber es blieben schlie ßlich zwei Kandidaten übrig. Der eine hatte andere Pläne. Robert dagegen, der blonde Jurist, den wir seit der Universitätsbesetzung häufiger sahen, sagte zu. Er war mit einer Brasilianerin befreundet, die Norma hieß. Schon bald hatten wir eine große Altbauwohnung im zweiten Stock über der Hauptstraße gefunden. Sie war keine fünfzig Meter von der Palatina entfernt und ein wenig laut, dafür wohnten wir so zentral wie es in Heidelberg überhaupt möglich war.
    Unsere Wohngemeinschaft hatte wenig von einer Kommune. Die einzige Ausschweifung g önnte sich Alessandra, wenn sie Abend für Abend entschied, ob und wem sie von uns beiden beiwohnte. Der andere hatte sich um Chloé zu kümmern, die alle paar Stunden zu schreien anfing und dann gefüttert oder gewickelt werden wollte. Alessandra stillte das Kind nicht. Eine zu enge Bindung an die Mutter sei einer der wichtigsten Gründe für die Abhängigkeit der Frau, hatte sie behauptet, wobei unklar blieb, ob sie dabei an sich oder an ihre Tochter dachte. Jedenfalls erschien uns diese Regelung als eine doppelte Härte. Nicht nur, dass der jeweils andere bei Alessandra bleiben durfte, man selbst schlug sich obendrein noch die Nacht um die Ohren. Aber schließlich habe der Vater auch seinen Teil beizutragen - das waren ihre Worte -, sie kümmere sich schon den ganzen Tag um das Kind. Vielleicht vergaß sie, dass es nur einen Vater gab. Vielleicht wollte sie mich an der Vaterschaft zumindest in dieser Form teilhaben lassen. Ich jedenfalls war froh, überhaupt bedacht zu werden und spielte mit.
     
    Anfang 1970 erhielt Altomonte für uns überraschend ein Postgraduierten-Stipendium. Es war ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte, und er verließ uns, um nach Kalifornien, nach Santa Cruz zu gehen. Kurze Zeit später verschwand Alessandra. Zuvor hatte sie Chloé zu ihren Eltern nach Mailand gebracht. Die Wohngemeinschaft nahm ein neues Mitglied auf. Meike zog ein.

TAGE VOR DEM WELTERUNGANG
     
    Wenn man von diesem ersten Jahr absieht, in dem ich mich wie ein Vater um sie k ümmerte, hatte ich Chloé in den zwanzig Jahren ihres Lebens nur selten zu Gesicht bekommen.
    Sie wuchs bei den italienischen Gro ßeltern auf und verbrachte den größten Teil ihrer Schulzeit in Schweizer Internaten. Später, nach Altomontes Rückkehr aus den Staaten, kam sie in den Sommerferien oft an den Lago Maggiore zu den Großeltern väterlicherseits. Altomonte ließ dann ein paar weniger wichtige Kongresse ausfallen, und sie taten eine Weile wie eine glückliche Familie. Nur Alessandra, die Mutter fehlte, um die Idylle zu vervollständigen. Es gab eine Zeit Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, in der ich dann manchmal für ein Wochenende, seltener eine ganze Woche dazu stieß. Ich glaube, sie fuhr mit dem Vater auch ein paar Mal in Urlaub, nach Martinique oder anderen exotischen Zielen

Weitere Kostenlose Bücher