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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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zwei sabbernde Greise, die die Decken auf ihren Beinen höher zogen und zufrieden lächelnd in eine Welt hinaus blinzelten, die längst nicht mehr die ihre war.
    "Ihr Freund Altomonte hatte f ür den sechsundzwanzigsten November eine Bedarfsspitze angemeldet", sagte der Kommissär unvermittelt. Er hatte jemanden zum Elektrizitätswerk geschickt. "Zwischen zwei und vier Uhr früh wurde die Grundlast verdoppelt, zusätzlich wurden zwei Gasturbinen und ein Speicherbecken hinzu geschaltet."
    Ich nickte. Etwas Ähnliches hatten auch meine eigenen Nachforschungen ergeben. Doch der Kommissär wusste mehr. Er hatte sich die Neuigkeit bis zum Schluss aufgehoben. Trotz aller altersbedingter Abgeklärtheit schien er Wert darauf zu legen, mir zu zeigen, wer der Profi war.
    "Die gleiche Bedarfsspitze ist f ür den ersten angemeldet worden."
    Nichts in seiner Stimme verriet, wie er diesen Umstand bewertete, und ich war mir im Unklaren, welchen ersten er meinte. "Den ersten?" fragte ich deshalb verwirrt.
    "S onntag, der erste Januar 1990, drei Uhr früh. Gleicher Tag, gleiche Stunde." Der Überraschungseffekt war auf seiner Seite, und meine Begriffsstutzigkeit schien ihn zu belustigen.
    Wie sich herausstellte, hatte Altomonte noch im Sommer einen Bedarfsplan erstellt und die Termine mit dem Elektrizit ätswerk abgestimmt. Bisher war alles wie vorgesehen verlaufen. Am Neujahrsmorgen sollte die ganze Maschinerie zum letzten Mal in Aktion treten.
    "U nd die machen so weiter, als sei nichts geschehen?" Ich konnte nicht glauben, dass Altomontes Auftrag wie ein Vermächtnis auch nach seinem Tod buchstabengetreu ausgeführt werden würde, dass Kontakte, Isolatoren und Hebel am Neujahrstag, wie von Geisterhand bewegt, seinen Befehlen gehorchten. Es war, als habe er sich selbst eine Totenfeier, irgendein obskures posthumes Ritual inszeniert. Oder versuchte jemand, dem toten Altomonte Leben einzuhauchen, so wie es weiland bei Frankenstein mit einem Blitz gelungen war?
    Der Kommiss är lächelte. Nein, so einfach war es nun auch wieder nicht. "Am Tag als Altomontes Tod bekannt wurde, hat eine Mitarbeiterin des Instituts den entsprechenden Schichtführer angerufen. Am zeitlichen Ablauf ändere sich nichts, habe sie gesagt. Altomontes Arbeitsgruppe führe das Experiment planmäßig durch."
    Wieder diese mysteri öse Anruferin, dachte ich. Aus irgendeinem Grund war ich mir sicher, dass es sich um dieselbe handelte, die an jenem Tag auch Liepman benachrichtigt hatte.
    Schlagartig verstand ich, was in Montaignes Kopf Gestalt angenommen hatte. Er hatte den abenteuerlichen Plan gefa sst, dem Täter oder wer immer sich an diesem Morgen im Europäischen Institut zu schaffen machte, eine Falle zu stellen. Wir - trotz allem hoffte ich, dass er auch mich bedacht hatte - brauchten uns nur hinter einem Haufen Kartons zu verstecken und das Geschehen, dessen Zeugen wir dann unweigerlich werden würden, zu beobachten. Alle Ungereimtheiten würden sich dann schlagartig auflösen und einer klaren und nachvollziehbaren Lösung Platz machen. Zu allem Überfluss wären dann auch die Schuldigen zur Stelle - Mörder, Saboteure, wahnsinnige Wissenschaftler oder wer auch immer -, und die Gerechtigkeit käme in Gestalt des zierlichen Kommissärs zu ihrem Recht.
    "Haben Sie Bell informiert?"
    Der Kommissär nickte. "Er spielt mit."
    Niemand konnte annehmen, eine Wiederholung von Altomontes Experiment k önnte geheim gehalten werden. In Halle 7 stand eine haushohe Anlage. Dutzende von Menschen mussten mitspielen - ob sie davon wussten oder nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemand könne glauben, all dies sei unbemerkt zu bewerkstelligen.
    Ich sch üttelte den Kopf. "Lieber Montaigne, bei allem Respekt, sie klammern sich an einen Strohhalm."
    "Wir haben zwei Wochen, um uns etwas Besseres einfallen zu lassen", antwortete er trocken.

VON FAULEN DETEKTIVEN UND VERSAGTEN LIEBESDIENSTEN
     
    Chloé trug ihr schwarzes Kleid wie eine zweite Haut. Es war eng geschnitten, ohne aufreizend zu sein, und die Ärmelchen, die nur knapp über die Schultern reichten, gaben ihm etwas Verspieltes. Das Haar hatte sie kunstvoll hochgesteckt, was sie größer erscheinen ließ. Silberne Ohrringe kreiselten ineinander verschlungen hin und her, wenn sie den Kopf bewegte. Auf dem Tisch brannte eine Kerze, und über dem Kristall der Gläser, das gestärkten Weiß unserer Servietten hinweg, funkelten ihre dunklen Augen wie weit entfernte Lichter. Trotz der großen Ähnlichkeit mit der Mutter,

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