Die Himmelsleiter (German Edition)
Drohungen, mit Gewalt, dann, schon im Rückzug begriffen, auf Abstand zu halten, während sie mir folgte wie ein Raubtier einem ängstlichen Wärter. Endgültig gewonnen hatte sie dann nach jener Nacht mit Chloé. Nachdem wir uns geliebt hatten, war ich wehrlos, sturmreif geschossen wie ein altes Fort. Altomontes Weltuntergangsmaschine hatte leichtes Spiel. Sie stieß auf wenig Widerstand. Ich war ein bereitwilliges Opfer, eines, das sein ganzes Leben darauf gewartet hatte.
Es war Angst, was mir von den Eingeweiden her langsam in die Brust und dann h öher das Rückgrat hinauf gekrochen war, die Nackenhaare gesträubt und die Haut über meinem Hinterkopf wie auf einem verschrumpelten Apfel zusammengezogen hatte. Und es war mehr als Angst, selbst Panik ist ein vergleichsweise harmloser Begriff für dieses Gefühl allumfassender existentieller Bedrohung, für die vollständige Lähmung und Hoffnungslosigkeit, die mich nachts im Schlaf befiel und dann stundenweise wachliegen ließ oder die ich tags nur mit allergrößter Anstrengung notdürftig unter Kontrolle halten konnte. Obwohl sie in den Jahren, die seitdem vergangen sind, stetig abgeklungen ist, spüre ich sie manchmal noch heute in einem entfernten Trakt meines Körpers rumoren. Dann schrecke ich auf und weiß, dass sie nie endgültig besiegt sein wird. So wachsam ich auch bin, eines Tages wird sie eine Unaufmerksamkeit, eine schwache Stunde skrupellos ausnutzen und sich wieder meiner bemächtigen.
Obwohl ich wei ß, dass diese Angst nicht normal ist, dass sie krankhaft, neurotisch oder schlimmeres ist, obwohl ich die Anfänge kenne, die Krisen, die ich seitdem durchlitten habe, und auch die Auslöser, jene schicksalhaften Ereignisse, die ihr hinter meinem Rücken geholfen haben, fühle ich mich machtlos wie ein Eingeborener, der jedes Jahr seine Hütte wieder aufbaut und dann auf das nächste Hochwasser, den nächsten Taifun wartet.
Das allererste Mal hat einen richtigen Anfang. Ich bin zwölf und wache mitten in der Nacht im Bett meiner Eltern auf. Das Licht brennt, und sie schauen mich an wie ein vom Teufel Besessener. Ich muss geschrien haben, aufrecht sitzend mit weit offenen Augen geschrien und laut gesprochen haben. Wer weiß, wie lange schon. Sie haben auf mich eingeredet, automatisch, wie man einem Unzurechnungsfähigen zuredet, selbst fast genauso erschrocken wie ich: "Es ist nur ein Traum. Es ist alles gut. Du brauchst keine Angst zu haben."
Dann bin ich tats ächlich wach und schlagartig still. Ich schaue mich um, erstaunt darüber, dass ich nicht in meinem Zimmer, meinem Bett bin, verwundert über die vor Schreck geweiteten Augen meiner Mutter, den ratlosen Blick des Vaters. Ich fühle mich ertappt und schäme mich, so als hätte ich etwas angestellt. Es sei wieder alles in Ordnung, beeile ich mich zu versichern und flüchte aus dem Zimmer, als könnte ich meine Angst so am schnellsten vergessen.
An den Traum selbst kann ich mich noch heute erinnern. Ein schlichter, fast abstrakter Traum. Schwer nachvollziehbar, was mich daran so ängstigte. Möglich, dass es das Fieber war. Seit drei Tagen lag ich krank im Bett.
K örperlos fliege ich durch einen vollkommen leeren Raum. Ein gleichmäßiges, weißliches Licht, das von überallher zu kommen scheint, ist das Element, das diesen Ort ohne erkennbare Breite, Länge oder Höhe ganz ausfüllt. Das einzige, was es in meinem Universum gibt, sind lange goldleuchtende Stangen, die wie Laternenmasten in regelmäßigen Abständen im Nichts schweben. Sie bilden eine Reihe, die keinen Anfang und kein Ende hat. Ich, der Punkt ohne Ausdehnung, die körperlose Essenz meiner Selbst, ich fliege hindurch, nehme die Stangen rechts und links wie ein Slalomfahrer die Tore. Das ist meine einzige Aufgabe, höllisch darauf bedacht zu sein, keines dieser leuchtenden Dinger auszulassen.
Das ist nat ürlich nicht alles. Der Rest spielt sich in meinem Kopf ab. Am Nachmittag erst hatte ich einen Comic gelesen. Darin ging es um einen Bösewicht, der eine furchtbare Waffe entwickelt hatte: die Bombe Z . Gezeichnet sah sie harmlos aus, eine schwarze Kugel mit einer altertümlichen Zündschnur dran. Und doch war sie gefährlicher als jede Atombombe. Sie allein genügte, um die ganze Welt zu vernichten. Und so war es auch in meinem Traum. Ich weiß, dass dieses fette Männchen mit dem schwarzen Haar und dem bösen Lächeln irgendwo lauert. In der Hand hält er seine Bombe. Damit erpresst er die ganze Menschheit. Und auch ich, der
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