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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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statt seiner.
    Ehrlich verwundert rief sie aus: "Aber warum? Es ist doch großartig!"
    Altomonte drehte sich um und k üsste sie auf die Nase. "Ja, gefällt es dir? Dann lassen wir es so."
    Haridimos n äherte sich auf seinem schwankenden Esel. Zwei große Plastikkanister baumelten rechts und links vom Sattel. Er schwenkte eine Flasche Ouzo wie ein Fahnenträger die Fahne. Wir gingen zum Haus zurück.
     
    Am letzten gemeinsamen Abend - Altomonte und Brit wollten am nächsten Morgen die Fähre zum Festland nehmen - machten wir uns noch einmal nach Matala auf.
    D er Ort pulsierte vor Leben. An der behelfsmäßigen Strandpromenade entlang reihte sich Stand an Stand: Schmuck, Töpfer- und Lederwaren, Second-hand-Klamotten und all das, was man in San Francisco oder Goa auch hätte kaufen können. Vor den Bars und den einfachen Gaststätten standen Tische, an denen sich braungebrannte und leichtbekleidete Deutsche, seltener andere Europäer oder Amerikaner drängten. Von überall her wehte wohltemperierter Jazz herüber, alte Platten zumeist, die von den Sitzenden fachmännisch kommentiert wurden.
    Die ersten Hotels, moderne Betonkl ötze mit klimatisierten Restaurants und wasserbesprenkten Tennisplätzen, hatten unweit des Ortes ihre Pforten geöffnet oder standen kurz vor der Fertigstellung, und die Höhlen im Kreidefelsen zu beiden Seiten der kleinen Bucht, Anfang der Siebziger die Heimstatt von Blumenkindern und anderen Aussteigern, waren wieder das, was sie zuvor gewesen waren: schwarze Löcher im milchigweißen Gestein. Nur noch hier und da wehte der bunte Stoff einer Gardine oder die zum Trocknen aufgehängte Wäsche im Wind.
    Obwohl wir uns in dem Trubel unbehaglich f ühlten - in der Einsamkeit unseres Häuschens waren wir fast menschenscheu geworden -, unterschieden wir uns in nichts von allen anderen, die Matala fest im Griff hatten. Wir gehörten auf Anhieb dazu. Nur einmal unterlief Meike ein Fauxpas, als sie zu laut vom Tourist Information Office sprach - Brit hatte nach der Ankunftszeit der Fähre gefragt - und die teils pikierten, teils belustigten Blicke der Umstehenden erntete.
    Es gab auch einen kleinen Laden, der Drucke und Aquarelle lokaler K ünstler, aber auch Poster und billige Reproduktionen führte. Dort fand ich Altomonte wieder, der plötzlich in der Menge verschwunden war. Er stand vor einem vielleicht zwei Mal einen Meter großen glänzenden Farbdruck. Ich beobachtete eine Weile, wie er in sich versunken das Bild betrachtete. Ohne ein Wort, gesellte ich mich zu ihm.
    "Ist das nicht gigantisch?" fl üsterte er, als knieten wir in der Kirche nur wenige Meter von den wachsamen Ohren des Pfarrers entfernt. "Schau", seine Hand fuhr den Bogen der Welle nach und zeigte auf die Schaumkrone, die zerklüftet war und sich zu immer feineren Verästelungen verzweigte, "ein Fraktal. Man kann es nicht besser zeichnen." Auch mich zog die gewaltige Welle in ihren Bann. Sie war wild und gefräßig wie ein Raubtier. Ein haushoher Brecher, der sich gleich mit verheerender Wucht über das nahe Land ergießen würde. "Das ist ein Tsunami", fuhr Altomonte fort, "die größte Welle, die du dir vorstellen kannst." Wir schwiegen andächtig, während die Flutwelle sich anschickte, als erstes die langen Boote der Fischer zu ihren Füßen zu Kleinholz zu verarbeiten. "Ich weiß nicht, wie er es gemacht hat, aber er wusste alles, oder er ahnte es", wiederholte Altomonte kopfschüttelnd ein ums andere Mal. Er meinte offenbar den Künstler. "Schon vor über zweihundert Jahren wusste er alles."
    An jenem Tag ist mir das wichtigste entgangen. Das, worauf es Hokusai ankam, verschlie ßt sich dem ersten flüchtigen Blick. Fuji, der heilige Berg im Hintergrund, ist klein und unscheinbar.

DIE BOMBE Z
     
    Ich weiß nicht, wann es wieder anfing, ob es überhaupt einen Anfang gab, der mit Stunde, Minute oder wenigstens Tag hätte festgehalten werden können.
    Es war mehr wie ein Brausen, das lauter wird, bis man es irgendwann nicht mehr überhören kann. Eine Unruhe, die sich seit Liepmans Anruf in Hamburg gesteigert hatte, die erst wie ein Nachhall auf etwas Vergangenes geklungen hatte, dann aber wirklicher wurde, bis ich sie nicht mehr weg reden konnte, verleugnen, verniedlichen und was ich noch alles versucht habe. Sie war da, tief in mir, und wuchs, meldete sich immer länger und nachhaltiger zu Wort. Sie wollte raus, und ich versuchte, sie zurückzuscheuchen wie einen ungezogenen Hund, zu zähmen, mit guten Worten, mit

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