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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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Jammertal. Fünfundvierzig Scheiben, was für ein Haufen Arbeit! Wie gut, dass er Konrad geholt hatte, der in der Lage war, die Entwürfe nach seinen Vorstellungen ins Bild zu setzen. Und ebenso gut war es, dass Meister Luginsland nicht mehr krank im Bett lag, sondern sogar die Planung der Arbeit übernehmen konnte. Fünfundzwanzig Fenster waren vollständig fertiggestellt, fünfzehn steckten in verschiedenen Stadien der Herstellung, und fünf existierten bisher nur als Entwurf, darunter die wichtigen Bilder der Auferstehung und des Weltgerichts. Lionel überschlug die Zeit. Wenn sie sich ranhielten, würden sie es bis zum Besuch des Königs schaffen, vorausgesetzt, Marx Anstetter hielt sich mit seinen Attacken zurück und das Komplott gegen den König existierte nur in dessen Phantasie.
    In diesem Moment öffnete sich die Werkstatttür, und Heinrich Luginsland trat mit Konrad ein.
    »Ich habe das Licht schon von draußen gesehen.« Heinrich kam einen Schritt auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich freue mich, dass Ihr wieder da seid, Meister Jourdain.« Sein Gesicht war von der Kälte gerötet.
    »Das wurde aber auch Zeit«, sagte Konrad missmutig und rieb sich die eisigen Hände.
    »Heute haben wir einen ganzen Stapel Scheiben gebrannt, die wir jetzt alle nacheinander bemalen können«, sagte der alte Glasmaler. »Dafür werden wir jede Hand brauchen.«
    »Und ganz besonders meine.« Lionel nickte. »Zu dritt schaffen wir es schon. Konrad, ich und …« Er schaute sich um. Warum war sie nicht mit ihrem Vater in die Werkstatt gekommen?
    »Wo ist Madeleine?«, fragte er alarmiert.
    Heinrich runzelte die Stirn. »Ja, ist sie nicht bei Martha in der Küche? Am Ofen konnte sie uns nicht viel helfen, und darum habe ich ihr heute frei gegeben. Heute Morgen wollte sie Kilian im Franziskanerkloster besuchen, aber jetzt müsste sie doch schon längst wieder zurück sein.«
    »Das ist sie aber nicht«, sagte Lionel beunruhigt und stand auf. »Ich werde sie suchen.« Er hob seinen Mantel auf, den er über den Schemel gelegt hatte, zog ihn eng um die Schulter und ging zur Tür.
    »Meister Jourdain!« Heinrich war aufgestanden und hatte seine großen Hände fest auf den Zeichentisch gelegt. Etwas in seinem Blick ließ Lionel innehalten.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Ihr solltet etwas wissen … Es hat sich einiges verändert.« Er schwieg und suchte nach Worten. »Grundlegendes. Meister Marx Anstetter ist tot.«
    »Was!?!« Lionel blieb einen Moment die Spucke weg. Er wusste nicht, ob vor Erleichterung oder vor Entsetzen.
    »Er wurde ermordet«, sagte Konrad leise. »In den Weinbergen, und zwar an dem Tag, als Ihr verschwunden seid. Lena und Valentin haben ihn gefunden.«
    » Oh non! Merde! Und sie haben Valentin dafür …« Wie konnte es anders sein? Dieser unglückliche Tropf!
    »Richtig! Er sitzt im Turm.« Heinrich nickte düster.
    »Ich gehe und suche Madeleine«, sagte Lionel. Sein Blut war wie gefroren. Angst durchströmte ihn und Zorn auf die Familie, die zuließ, dass sie das Haus verließ. Natürlich hatte Madeleine wieder versucht, Valentin zu entlasten. Wie nahe war sie dabei dem wirklichen Mörder gekommen? Oder waren es inzwischen zwei?
    Lionel öffnete das Hoftor und trat hinaus auf die Gasse. Beidseitig schoben sich die Häuser der Patrizier in die Höhe, so hoch und eng beieinander, dass sie den Blick auf den Himmel versperrten. Lionel konnte seit seiner Zeit im Kloster keine engen Räume mehr ertragen. Mühsam holte er Luft und schaute auf den schmalen Ausschnitt über ihm, der von Weite sprach, auch wenn sie sich im Moment nur ahnen ließ. Er brauchte das Meer um sich, große Wiesen oder Madeleine mit ihren heiteren, trotzigen Gedanken und ihrem Lebensmut. Es war so kalt, dass die Luft ihm wie ein weißes Tuch vor dem Mund stand, aber Lionel merkte nichts davon, sondern schritt so schnell aus, dass er das Kloster im Nu erreicht hatte. Wütend polterte an die Pforte.
    »Ouvrez, vite!« Die Dringlichkeit seines Anliegens ließ ihn in seine Muttersprache fallen, aber schon ging die Pforte ein Stück weit auf.
    »Was fällt Euch ein, unsere Kontemplation zu stören! Und dazu noch auf Französisch! Es ist Nacht.« Die Luke im oberen Teil der Tür ging auf und zeigte ein grimmiges Gesicht mit einem grauweiß gesträhnten Bart. »Ihr seid es!«
    »Ja, schnell, macht auf!«
    »Gut, dass Ihr Euch auch mal wieder in Esslingen blicken lasst«, schimpfte Bruder Thomas, während er die Pforte entriegelte und

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