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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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Esslingen und den Schreck, als er Madeleine nicht daheim angetroffen hatte. Und die Schwierigkeiten waren noch lange nicht zu Ende. Warum musste er auch da noch junge Novizen von ihren leichtsinnigen Taten abhalten? »Ihr habt doch gehört, dass Balduin kein glaubhaftes Motiv hatte, das ihm Grund dazu gab, seine sichere Position aufs Spiel zu setzen.«
    »Ich bin das Motiv«, gab Kilian leise zurück. »Wenn herauskommt, was geschehen ist, gibt es einen Skandal, der sich gewaschen hat.« Sein Gesicht über dem schillernden Bluterguss färbte sich scharlachrot.
    Lionel sah ihn aufmerksam an. »Aber als die Morde geschahen, war ihm noch nicht klar, dass er Euch nicht kontrollieren kann.«
    Lionel stand auf. Er hatte keine Lust, noch länger zu warten.
    »Wo geht Ihr hin?«, fragte Thomas.
    »Ich klappere die Kneipen der Stadt ab und suche Berthe und Hanna und diese Rosi. Vielleicht wissen sie ja mehr. Aber wenn nicht, dann rollen wir morgen früh beide Morde wieder auf, von Anfang an.«
    Ein Fluch kam ihm über die Lippen, ein unflätiger, französischer, von dem er hoffte, dass ihn Bruder Thomas mit seiner umfassenden Bildung nicht verstanden hatte. »Frère Mort lässt mich einfach nicht in Ruhe, nicht einmal als Toter.«
    Lionel nickte den beiden kurz zu und verließ den Raum. In den dunklen Gängen hallten seine Schritte wider. Als er vor das Tor hinaus ins Herz der Nacht trat, traf ihn die Kälte wie ein Schlag. Aber er spürte sie noch immer nicht.

37
    »Was meinst du, wird er mit uns tun?«
    »Was wird er wohl mit uns tun? Uns töten, was sonst?« Die Stimme war leise, wispernd, aber die Worte hingen wie Schwerter in der Dunkelheit. Das Verlies war so vollkommen dunkel, dass Lena sich an der Wand abstützen musste, um einzuschätzen, wo sie sich befand. Sie tastete sich einige Schritte voran und stieß dann mit dem Fuß an etwas Stoffiges, aus dem ein Schluchzen drang. Vorsichtig ließ sie sich nieder und suchte nach Loisls Hand.
    »Nicht weinen!«, sagte Lena. »Noch sind wir nicht tot.«
    »Du stinkst!« Die Magd zog geräuschvoll die Nase hoch, zog aber die Hand nicht weg. Lena wusste nicht, wie lange sie sich hier schon befanden. Als sie bemerkt hatte, in wessen Hände sie gefallen war, hatte sie um sich getreten, gebissen und gekratzt. Aber der Bote des Königs hatte ihren erbärmlichen Befreiungsversuchen mit einem gezielten Schlag gegen die Schläfe ein Ende gesetzt. Aufgewacht war sie in dem lichtlosen Kellerloch, das sie nun schon seit Stunden mit Loisl teilte. Sie saßen in vollständiger Dunkelheit, die sich zusammen mit der feuchten, muffigen Luft auf ihr Gesicht legte wie ein Tuch aus Verzweiflung. Vielleicht bin ich schon blind, dachte sie. Zuerst hatte es noch eine Öllampe gegeben, deren flackerndes Licht die Ausmaße des Gefängnisses erkennen ließ – ein viereckiges, gemauertes, Loch, das man mit fünf Schritten durchqueren konnte. Davor befand sich eine vergitterte Tür, die den Blick auf einen geräumigen, feuchten Kellerkorridor freigab. Aber die Lampe war in einem unerwarteten Luftzug verloschen, und seitdem saßen sie im Dunkeln, ohne Wasser und ohne einen Kanten Brot. Was wäre, wenn sich der Mörder nicht einmal die Mühe machte, sie zu beseitigen, sondern einfach abwartete, bis sie verhungert und verdurstet waren? Irgendwann, viel zu spät, würden die Leute ihre kahlen, weißen Skelette finden. Lena schauderte, schluckte die aufsteigende Panik herunter, zog sich den Mantel von den Schultern und legte ihn um sich und die Frau, die einmal ihre Fein- din gewesen war. Loisl hatte in den ersten Stunden ihrer gemeinsamen Gefangenschaft kein Wort gesprochen und so getan, als würde Lena nicht existieren. Erst seitdem es stockfinster geworden war, machte sie hin und wieder den Mund auf. Wenn wir reden, wissen wir, dass wir noch leben, dachte Lena und verkreuzte die Finger ihrer rechten Hand mit Loisls.
    »Du bist ja ganz warm!«, sagte diese verwundert.
    »Im Gegensatz zu dir.« Lena drückte die eisige Hand. »Ich bin zornig, da habe ich keine Zeit zum Frieren. Noch nicht.«
    »Wo sind wir hier wohl?«
    Lena atmete tief ein – abgestandene Luft, die entfernt nach schlechtem Wein roch. »In irgendeinem Weinkeller.« Mehr wusste sie auch nicht. Aber dann begann sie zu erklären. »Du bist noch nicht lang in Esslingen, oder?«
    »Ein knappes Jahr«, gab Loisl zurück. »Wäre ich doch in Fürstenfeld geblieben!«
    »Nun, unter der Webergasse und den angrenzenden Gassen sind die Weinkeller

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