Die Himmelsmalerin
alle miteinander verbunden. Man kann also, wenn man die richtigen Schlüssel hat, unterirdisch von einem zum anderen gelangen.«
»Er ist also einfach mit uns einen Keller weiter gegangen.«
»Einen oder sogar mehrere. Es muss ein verlassener sein. Ich zerbreche mir schon die ganze Zeit den Kopf, wo er sich befinden kann.« Es war müßig, darüber nachzudenken, denn der Bote des Königs hatte die Tür zum Verlies so fest verriegelt, dass sie sie niemals würde öffnen können. »Was ist eigentlich geschehen?«, fragte sie stattdessen leise. »Warum hat der Bote des Königs den Anstetter, ich meine den Marx …«
»Du!«, giftete Loisl. »Du hast ihn doch sowieso nicht leiden können. Das merkt man schon an deinem Gerede!«
Lena merkte, wie Hitze ihr ins Gesicht stieg. Mit der Annahme, dass sie Anstetter verabscheut hatte, lag Loisl vollkommen richtig.
»Dabei hat er sich solche Mühe gegeben, um dein Herz zu gewinnen. Und dann wollte er dich heiraten und endlich die schöne Werkstatt übernehmen. Ich wäre mitgekommen, als Kebsweib.«
»Ach so!«, sagte Lena perplex, die sich absolut nicht vorstellen konnte, was der Tübinger je getan hatte, um sie für sich einzunehmen. Mundtot machen, das ja, aber sonst …
»Aber du bist kalt wie ein Fisch, sagte er immer. Und jetzt riechst du sogar danach.« Die Magd begann wieder zu schluchzen.
»Loisl«, begann Lena. »Vielleicht wäre es gut, wenn du mir sagen würdest, was den Boten veranlasst hat zu tun, was er getan hat. Vielleicht hilft uns die Wahrheit weiter.«
Stille kehrte ein, unterbrochen von einigen letzten Schluchzern der Magd. Lena starrte in die Dunkelheit, ihr Kopf sackte auf die Brust, und die Kälte begann sie von unten her langsam zu erobern – erst den Po, dann die Beine, dann ihre Hüften und den Rücken, Stück für Stück. Mit einem Ruck schreckte sie hoch, als Loisl wieder zu sprechen begann. »Der Marx ist ihm auf die Schliche gekommen. Seinen wahren Plänen.«
»Aber was denn für welchen?« Lena rappelte sich auf und streckte sich, was nicht einfach war, denn ihr linkes Bein war eingeschlafen und kribbelte wie ein Ameisenhaufen. Sie trat von einem Bein auf das andere, um wieder Gefühl in die Füße zu bekommen. »Der … hat … doch … nur.« Sie holte tief Atem. »Das Quartier für den König vorbereitet.«
»Keine Ahnung. Marx hat es mir nicht erzählt«, erwiderte Loisl. »Er sagte, er wolle mich schützen. Aber er muss etwas wirklich Schreckliches vorhaben, sonst hätte er nicht so reagiert.«
»Nein, wohl wirklich nicht.« Was rechtfertigte einen Mord? Ein anderer, ganz klar.
»Er hat den Dominikaner ermordet«, rief Lena überrascht.
»Nicht so laut«, ermahnte sie Loisl. »Ja. Marx hat ihn heimkommen sehen, am frühen Morgen nach dem Tod von Pater Ulrich. Auf seinem Mantel war Blut. Es war kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten, und wir waren, nun ja, die ganze Nacht hindurch zusammen gewesen. Der Pfleger, Pater Aloysius, ist nämlich Marx’ Onkel mütterlicherseits. Oder war …«
Lena verdrehte die Augen, denn das Geschluchze ging schon wieder los. »Loisl«, sagte sie eindringlich. »Du musst aufhören zu weinen. Das ist wichtig, denn wer weint, kann nicht mehr gut nachdenken.«
»Ich versuch’s ja«, kam es betreten von unten. »Aber es ist nicht einfach. Der Marx war meine große Liebe. Aber der Mord, das ist nicht alles. Zuerst wollte Marx den Boten des Königs auch gar nicht mit seiner Schuld konfrontieren. Er fand es sogar ganz gut, dass der Valentin verdächtigt wurde – ein Nebenbuhler weniger, sagte er.«
»Dieses Schwein«, flüsterte Lena und hoffte, dass Loisl so in ihre Geschichte vertieft war, dass sie es nicht hörte.
»Aber dann hat er noch weitere Dinge herausgefunden, die den Boten betreffen, und die müssen ganz schlimm sein.«
Lena fiel es wie Schuppen von den Augen. Natürlich! »Der Anstetter hat den Roteneck erpresst.«
»Ja«, antwortete Loisl nach einer Pause verschämt.
»Na, dann wird mir alles klar.« Schneid hatte er gehabt, der Anstetter. Oder er war einfach nur unglaublich leichtsinnig gewesen.
»Ich hab versucht, es ihm auszureden. Mit einem wie dem legt man sich nicht an, sagte ich. Ein Ritter des Königs! Der steht meilenweit über uns. Aber er wollte nicht auf mich hören.«
»Und das hat er mit dem Leben bezahlt«, sagte Lena nachdenklich und ließ sich wieder an der Wand herabgleiten, bis sie auf ihren Fersen saß.
Loisl schniefte laut und fuhr fort. »Aber jetzt
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